Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0040-100358
Palliativmedizin – Ethische Herausforderungen der palliativmed. Begleitung von Intensivpatienten
Ethical challenge in palliative support of intensive care patientsPublication History
Publication Date:
02 February 2015 (online)
Zusammenfassung
Palliativ- und Intensivmedizin galten lange Zeit als gegensätzliche Therapiekonzepte. Während Intensivmedizin sich auf das Überleben ausrichtet und die Stabilisierung gestörter Köperfunktionen zum Ziel hat, hat Palliativmedizin die Linderung von Beschwerden im Blick, um dem Menschen angesichts des nahenden Todes das Leben zu erleichtern. Heute ergänzen sich beide Blickrichtungen, weil palliative Anliegen auch in der kurativen Medizin wichtig sind. In einem kritischen Krankheitsverlauf kann sich die Orientierung durch den Krankheitsverlauf oder den Willen des Patienten vom kurativen Therapieziel zu einem palliativen Ziel verändern. An 2 Fallbeispielen werden ethische Herausforderungen in diesem Prozess dargestellt, die sich aus der medizinischen Indikation, der Beachtung des Patientenwillens, Meinungsdifferenzen im Team, der Wahrheit am Krankenbett sowie den konkreten Schritten beim Therapieabbruch ergeben können.
Abstract
Intensive care medicine and palliative care medicine were considered for a long time to be contrasting concepts in therapy. While intensive care medicine is directed towards prolonging life and tries to stabilize disordered body functions, palliative care medicine is focused upon the relief of disturbances to help patients in the face of death. Today both views have become congruent. Palliative aspects are equally important in curative therapy. In the course of illness or in respect of the patient's will, the aim of therapy may change from curative to palliative. Two examples are presented to illustrate the ethical challenges in this process. They follow from the medical indication, attention to the patient's will, different opinions in the team, truth at the bedside and from what must be done in the process of withdrawing therapy.
Kernaussagen
-
Intensiv- und Palliativmedizin sind sich ergänzende Versorgungskonzepte einer zeitgemäßen, modernen Medizin.
-
Ethik ist Nachdenken über Tun oder Unterlassen unter dem Aspekt des Wertes für den Menschen. Wissenschaftlich wird zwischen Moral als sittlicher Überzeugung einer Person oder Gruppe und Ethik als Nachdenken über Moral unterschieden.
-
Diagnostik und Therapie sind nur zulässig, wenn die Maßnahmen medizinisch indiziert sind und der Patient ihnen zustimmt. Auch eine indizierte Maßnahme darf nur durchgeführt werden, wenn der aufgeklärte Patient ihr zustimmt.
-
Ist eine Maßnahme nicht indiziert, stellt sich nicht mehr die Frage nach dem Patientenwillen, weil nicht indizierte Maßnahmen nicht angeboten und durchgeführt werden dürfen.
-
Bei der Therapiezieländerung geht es darum, ein palliatives Ziel anstelle des kurativen in den Vordergrund zu stellen.
-
Eine Therapie nicht zu beginnen, ist rechtlich und ethisch gleichwertig damit, eine laufende Therapie auch durch aktive manuelle Tätigkeiten zu beenden.
-
Meinungsunterschiede der Beteiligten müssen offen bearbeitet werden. Dabei bietet sich eine unabhängige Ethikberatung an.
-
Unverzichtbar sind bei jeder Versorgung die Basismaßnahmen, Respekt und psychosoziale Begleitung.
Schlüsselwörter:
Intensivmedizin - Palliativmedizin - Therapiezieländerung - ethische EntscheidungskonflikteKey words:
intensive care medicine - palliative care medicine - changing aims in therapy - ethical decision making-
Literaturverzeichnis
- 1 Bundesärztekammer. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. Dtsch Arztebl 2011; 108: 278-278
- 2 Janssens U, Buchardi H, Duttge G et al. Therapiezieländerung und Therapiebegrenzung in der Intensivmedizin. Positionspapier der Sektion Ethik der DIVI. DIVI 2012; 3: 103-107
- 3 Verrel T, Schmidt KW. Sterbehilfe und Sterbebegleitung. Eine Orientierungshilfe zur ärztlichen Entscheidungsfindung aus juristischer und medizinethischer Sicht. Hess Ärztebl 2012; 73: 512-516
- 4 Quintel M. Ziele und Aufgaben der Intensivmedizin. In: Salomon F, Hrsg. Praxisbuch Ethik in der Intensivmedizin. 2. Aufl. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2012: 19-28
- 5 Multidisziplinäre Arbeitsgruppe (ARGE) Ethik in Anästhesie und Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation, Intensivmedizin (ÖGARI). Therapiezieläderungen auf der Intensivstation. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2013; 48: 216-223
- 6 Salomon F, Ziegler A. Moral und Abhängigkeit – Ethische Entscheidungskonflikte im hierarchischen System Krankenhaus. Ethik Med 2007; 19: 174-186
- 7 Mertz M, Albisser Schleger H, Meyer-Zehnder B, Reiter-Theil S. Prinzipien und Diskurs – Ein Ansatz theoretischer Rechtfertigung der ethischen Fallbesprechung und Ethikkonsultation. Ethik Med 2014; 26: 91-104
- 8 Salomon F. Einrichtung einer Ethikberatung. Med Klin Intensivmed Notfallmed DOI: 10.1007/s00063–014–0393–9. http://www.link.springer.com/article/10.1007/s00063–014–0393-9 2014;
- 9 Simon A. Einstellungen von Ärzten und Vormundschaftsrichtern im Umgang mit lebenserhaltenden Maßnahmen. In: Ueberschaer E, Hrsg. Lebensverlängernde Maßnahmen beenden? Loccumer Protokolle 20. Rehburg-Loccum: Evang. Akad. Loccum; 2007: 9-15
- 10 Wandrowski J, Schuster T, Strube W, Steger F. Medizinethische Kenntnisse und moralische Positionen von Ärztinnen und Ärzten aus Bayern. Dtsch Arztebl Int 2012; 109: 141-147
- 11 Cherny NI, Radbruch L. European Association for Palliative Care (EAPC) recommended framework for the use of sedation in Palliative Care. Pall Med (in deutscher Übersetzung von Alt-Epping B, Sitte T, Nauck F, Radbruch L. Sedierung in der Palliativmedizin – Leitlinie für den Einsatz sedierender Maßnahmen in der Palliativversorgung. Z Palliativmed 2010; 11: 112–122) 2009; 23
- 12 Nauck F, Ostgathe C, Radbruch L. Ärztlich assistierter Suizid – Hilfe beim Sterben, keine Hilfe zum Sterben. Dtsch Arztebl 2014; 111: 67-71