Zeitschrift für Palliativmedizin 2018; 19(05): e27
DOI: 10.1055/s-0038-1669290
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

FVNF und die Suiziddiskussion: hochakademisch oder hochrelevant?

J Manhart
1   Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Germany
,
C Junghanß
2   Zentrum für Innere Medizin, Universitätsmedizin Rostock, Interdisziplinärer Bereich für Palliativmedizin, Rostock, Germany
,
A Büttner
1   Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Germany
3   Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock, Rostock, Germany
,
U Kriesen
2   Zentrum für Innere Medizin, Universitätsmedizin Rostock, Interdisziplinärer Bereich für Palliativmedizin, Rostock, Germany
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Publication Date:
20 August 2018 (online)

 

Der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF) ist als Methode, selbstbestimmt das Leben zu beenden, in informierten Kreisen etabliert. Weniger etabliert scheinen die Qualifizierung der Todesart und Handlungskonsequenzen im Falle des Todes durch FVNF. Eine ärztliche Begleitung des FVNF ist nicht als Suizidassistenz aufzufassen und somit standesrechtlich legitimiert. Ob für den begleitenden Arzt eine Strafbarkeit nach §217 StGB in Betracht käme, ist abhängig vom Einzelfall und zu bedenken.

Die Interpretationen von Gesetzestexten, Todesartdefinitionen sowie Konsequenzen für Angehörige sollen aus rechts- und palliativmedizinischer Sicht kurz bewertet werden.

Zielstellung war, eine im bestehenden gesetzlichen Kontext pragmatische, rechtssichere und patientenorientierte Verfahrensweise zu entwickeln.

Zur Diskussion gestellte Verfahrensweise: in den Fällen „echten“ FVNFs wird ein primäres Ethikkonsil mit Patient (und ggf. Angehörigen gemäß Patientenwunsch) unter Teilnahme der Fachgebiete Palliativmedizin, Psychiatrie, Rechtsmedizin und jenem, entsprechend der Grunderkrankung, einberaumt. Hierbei soll eine ausführliche Aufklärung des Patienten über Therapiealternativen im Rahmen der Grunderkrankung sowie Meldepflichten bei Todeseintritt durch FVNF aufgrund einer nicht-natürlichen Todesart und die Prüfung und Bestätigung der freien Willensbildung sowie der Patientenverfügung des Patienten erfolgen. Der Patient entbindet in diesem Konsil die behandelnden/beteiligten Ärzte von Ihrer Schweigepflicht. Im Todesfalle werden mit Information der Polizei das Protokoll des Ethikkonsiles, die Schweigepflichtsentbindungserklärung, die Patientenverfügung und -erklärung an diese im Rahmen des Todesermittlungsverfahrens übergeben. Eine Traumatisierung der Angehörigen im Prozess der Abschiednahme durch Ermittlungstätigkeit der Polizei sollte nach erfolgter Aufklärung des Patienten/der Angehörigen deutlich gemindert sein.