Psychother Psychosom Med Psychol 2018; 68(08): e59-e60
DOI: 10.1055/s-0038-1668035
POSTER
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Theorie des geplanten Verhaltens im Kontext der Inanspruchnahme professioneller Hilfe bei unbehandelten psychischen Problemen – eine longitudinale Beobachtungsstudie

S Tomczyk
1   Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Institut für Psychologie, Lehrstuhl Gesundheit und Prävention, Greifswald, Deutschland
,
G Schomerus
2   Universitätsmedizin Greifswald, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Greifswald, Deutschland
,
S Stolzenburg
2   Universitätsmedizin Greifswald, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Greifswald, Deutschland
,
H Mühlan
1   Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Institut für Psychologie, Lehrstuhl Gesundheit und Prävention, Greifswald, Deutschland
,
S Schmidt
1   Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Institut für Psychologie, Lehrstuhl Gesundheit und Prävention, Greifswald, Deutschland
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Publication History

Publication Date:
06 August 2018 (online)

 

Einleitung:

Trotz etablierter Versorgungsstruktur nehmen zwei Drittel der Personen mit depressiver Störung in Deutschland keine professionelle Hilfe in Anspruch. Auf Basis der Theorie des geplanten Verhaltens soll untersucht werden, welche Komponenten Einfluss auf diese Entscheidung nehmen und demnach zwecks Optimierung der Versorgung adressiert werden können.

Material & Methoden:

Mittels Selbstbefragung wurden Einstellungen, subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle sowie die Intention, professionelle Hilfe zu suchen, in einer Bevölkerungsstichprobe von 188 Personen (50,34 Jahre; 71% weiblich) mit aktuell unbehandelter psychischer Erkrankung erfasst. Drei und sechs Monate später wurde in telefonischen Befragungen die tatsächliche Inanspruchnahme professioneller Hilfe (Psychologe, Psychotherapeut, Psychiater) erhoben. Die theoriebasiert spezifizierten Modellbeziehungen wurden über eine Pfadanalyse mit Kovariatenkontrolle in AMOS 24 geprüft.

Ergebnisse:

Einstellungen (β = 0,24) und subjektive Norm (β = 0,26) prädizierten die Verhaltensintention (R 2 = 27%), diese wiederum die Inanspruchnahme (β = 0,34; R 2 = 23%). Die Komponente „Selbstwirksamkeit“ der wahrgenommene Verhaltenskontrolle war in bivariaten Korrelationen signifikant mit Intention (r = 0,25) und Verhalten (r = 0,17) assoziiert, erreichte in den Pfadmodellen jedoch keine Signifikanz. Die Komponente „Kontrollierbarkeit“ wies nicht-signifikante, tendenziell negative Zusammenhänge mit Intention und Verhalten auf.

Diskussion:

Für die Intention, professionelle Hilfe zu suchen, waren vor allem Einstellungen und subjektive Norm bedeutsam, der Anteil erklärter Varianz war hingegen geringer als in früheren Studien. Dies ist durch die Operationalisierung erklärbar: Unsere Items erfassten generisch „professionelle Hilfe“, während frühere Studien die Items berufsgruppenspezifisch formulierten (z.B. Psychiater). Unklar ist überdies die Bedeutung der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle: Zu vermuten ist, dass Kontrollierbarkeit stärker symptombezogen, Selbstwirksamkeit stärker personenbezogen interpretiert wird.

Schlussfolgerung:

Durch die Theorie des geplanten Verhaltens kann ein substantieller Anteil (23%) der Inanspruchnahme professioneller Hilfe bei psychischen Problemen erklärt werden. Die Rolle der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle in diesem Kontext bedarf weiterer Forschung.

Förderhinweis:

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Kennzeichen: SCHO 1337/4 – 1 und SCHM 2683/4 – 1).