Gesundheitswesen 2018; 80(04): 380
DOI: 10.1055/s-0038-1639295
VORTRÄGE
Infektionsschutz, Umwelt und Hygiene
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)-Erkrankungen in Schulklassen nach Rohmilch-Konsum bei Skifreizeit in Österreich, 2017 – Der ÖGD verhindert weitere Ausbrüche

M Mylius
1   Robert Koch-Institut/NLGA Infektionsepidemiologie, Berlin, Germany
,
G Pallasch
2   Gesundheitsamt Landkreis Stade, Amtsleitung, Stade, Germany
,
K Beyrer
3   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
,
F Allerberger
4   Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Öffentliche Gesundheit, Graz, Österreich
,
K Claußen
5   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Bakteriologie, Hannover, Germany
,
S Schlager
6   Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Bakteriologie, Graz, Österreich
,
A Fruth
7   Robert Koch-Institut NRZ Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger, Wernigerode, Germany
,
C Lang
7   Robert Koch-Institut NRZ Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger, Wernigerode, Germany
,
R Prager
7   Robert Koch-Institut NRZ Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger, Wernigerode, Germany
,
J Dreesman
3   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
,
E Mertens
3   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
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Publication History

Publication Date:
11 April 2018 (online)

 

Hintergrund:

Nach einer Skifreizeit in Österreich (11.02.-18.02.17) mit 25 Teilnehmer/-innen (TN) einer Schule aus dem Landkreis Stade, Niedersachsen (NI), beklagten neun TN gastroenteritische Symptome. Die Gruppe war in einem Hotel mit Frühstück und Abendbrot untergebracht. In Stuhlproben wurden EHEC-Shigatoxin-Gene (stx) Typ 1 und/oder 2 nachgewiesen. Ziel der gemeinsamen Ausbruchsuntersuchung in Deutschland (D) und Österreich (A) war die Identifizierung der Quelle(n), um weitere Ausbrüche zu verhindern.

Methoden:

Wir führten in NI eine retrospektive Kohortenstudie mittels eines Fragebogens zum Lebensmittelverzehr durch. Das relative Risiko (RR) und das 95%-Konfidenzintervall (KI) wurden berechnet. Aktive Fallfindung wurde den zuständigen Behörden in anderen Bundesländern in D empfohlen. Wir definierten einen Fall als TN mit Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall im Inkubationszeitraum und/oder mit Nachweis von stx in einer Stuhlprobe. Stuhlproben aller TN, Milch, die im Hotel serviert wurde, und Stuhlproben der Tiere aus dem milchzuliefernden Betrieb wurden mittels PCR untersucht. EHEC-Isolate wurden mittels Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE) und next generation sequencing (NGS) feintypisiert. Die Behörden in A führten vor Ort ergänzende Untersuchungen durch.

Ergebnisse:

Alle 25 TN aus Stade beantworteten den Fragebogen, 14 waren Fälle (56%), mit Symptombeginn vom 17.02.-21.02.17. Von den 25 TN hatten 20 kalte Milch getrunken, 13/20 erkrankten (RR 3,25, 95%-KI 0,55 – 19,32). Aus Schleswig-Holstein (SH) und Nordrhein-Westfalen (NRW) wurde von 45 weiteren Fällen aus Schulklassen mit insgesamt 266 Personen berichtet, die im Februar das Hotel besucht hatten. In 12/25 Stuhlproben der TN aus Stade wurden stx1 und/oder stx2 nachgewiesen. Die Serogruppe EHEC O103:H2, stx1 positiv, mit identischem PFGE-Muster und NGS-Resultat fand sich in 8/12 Proben. In den übrigen vier Proben gelang keine Kultivierung des Erregers. Der Ausbruchsstamm wurde auch in 1/45 Stuhlproben aus SH und NRW nachgewiesen. Bei 2/18 positiv auf EHEC getesteten Tieren des milchzuliefernden Betriebs fand sich ebenfalls dieser Stamm. Die Behörden in A stellten bei einem Besuch im Hotel am 06.03.17 fest, dass im gesamten Monat Februar 2017 bis dahin ungekennzeichnete Rohmilch als einzige Kaltmilch zum Frühstück angeboten wurde. Dem Hotel wurde die sofortige Entfernung der Rohmilch auferlegt.

Schlussfolgerungen:

Die Ergebnisse der Epidemiologie sowie der Feintypisierung identifizierten die Rohmilch als Ausbruchsquelle. Die milden klinischen Verläufe und die vermutlich kurze Erregerausscheidung könnte eine Untererfassung von Fällen begünstigt haben. Die rasche Zusammenarbeit überregional, international sowie interdisziplinär führte zur Identifizierung und Entfernung der Ausbruchsquelle. Wir empfehlen, dass die zuständigen Behörden die Anbieter intensiver über das Risiko von Rohmilch-Konsum aufklären, und unterstreichen die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit der Behörden, um Ausbrüche zeitnah aufzuklären.