Nervenheilkunde 2016; 35(03): 131-136
DOI: 10.1055/s-0037-1616359
Übersichtsartikel
Schattauer GmbH

Rückfälligkeit bei Jugendlichen und Heranwachsenden nach Entlassung aus der Entziehungsmaßregel

Recidivism of juveniles and adolescents after release from forensic psychiatry for addiction treatment
C. Maaß
1   Universität Rostock, Klinik für Forensische Psychiatrie, Rostock
2   Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, Ulm
,
D. Schläfke
1   Universität Rostock, Klinik für Forensische Psychiatrie, Rostock
,
J. M. Fegert
2   Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, Ulm
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

eingegangen am: 03 September 2015

angenommen am: 04 November 2015

Publication Date:
10 January 2018 (online)

Zusammenfassung

Jugendliche und Heranwachsende nehmen aufgrund ihres jungen Alters eine besondere Stellung im deutschen Strafrechtssystem ein. Vor allem im Maßregelvollzug muss die spezielle Behandlungsbedürftigkeit der Jugendlichen beachtet werden. Ob die Therapie erfolgreich war lässt sich unter anderem durch eine Analyse des Legalbewährungsverlaufs nach Entlassung überprüfen. In der Klinik für Forensische Psychiatrie Rostock, in der Patienten nach § 64 StGB untergebracht sind, wurde zu diesem Zweck eine umfangreiche Rückfalluntersuchung initiiert. Im Folgenden wurden Bundeszentralregisterauszüge für 76 Jugendliche und Heranwachsende im Alter von 15 bis 21 Jahren analysiert, die zwischen 2001 und 2012 entlassen wurden. Die allgemeine Rückfallquote lag bei 65,8%, wobei 38% aller rückfällig gewordenen Patienten innerhalb der ersten sechs Monate nach Entlassung die Tat begingen. Junge Patienten, deren Behandlung nicht erfolgreich abgeschlossen wurde, stellen zudem eine besondere Risikogruppe dar. In der Gruppe der 15-bis 21-Jährigen wurden Therapieabbrecher signifikant häufiger rückfällig als regulär entlassene Patienten. Diese Unterschiede konnten in keiner anderen Altersgruppe beobachtet werden.

Summary

According to their young age, juveniles and adolescents have a special position in the German penal system. Especially in forensic psychiatric facilities their particularly intense therapeutic needs have to be considered. By analysing the course of legal probation after release, it is possible to see the success or failure of treatment. Due to this purpose, an extensive recidivism study was conducted at the forensic clinic for addiction treatment in Rostock. The criminal court records of 76 juveniles and adolescents from the ages of 15 to 21, released between 2001 and 2012 were analysed for this study. The general recidivism rate was 65.8% and 38% of all patients who relapsed did this during the first six months after release from the clinic. Young patients who didn’t finish the therapy successfully represent a special risk group. Patients from the ages of 15 to 21 in this group committed at least one new crime significantly more frequent than patients who were released on a regular basis. These strong differences couldn’t be observed in any other age category.

 
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