Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604670
Poster
P4: Postersession „Behandlung: Konzepte und Messverfahren”
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stationäre Entwöhnungsbehandlung – Bedeutung der individuellen Suchtmittelwirksamkeitserwartung für Therapieerfolg

D Hinze-Selch
1   Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH
,
K Leiber
1   Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH
,
C Rüping
1   Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH
,
I Englert
1   Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH
,
P Weitzmann
1   Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH
,
R Nebe
1   Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH
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Publication History

Publication Date:
08 August 2017 (online)

 

Einleitung:

Wodurch stationäre Entwöhnungsbehandlung wirksam ist, steht in Diskussion. Abstinenz ist ein komplexes Verhaltenskonstrukt, dessen alleinige Spät-Erfassung nicht zielführend sein kann für die Analyse dessen, was im vorgelagerten Behandlungssetting wirksam ist für das Spät-Komplexziel Abstinenz. Insofern haben wir hypothesengesteuert zu Beginn und am Ende einer stationären Entwöhnungsbehandlung strukturiert Parameter erfasst, die bedeutsam erscheinen für Abstinenz und vermittelbar sind in einer stationären Entwöhnung.

Methodik:

In der Fachklinik St. Marienstift Dammer Berge (legale Suchtmittel/Glücksspiel, gendersensibel Männer) wurden bei Behandlungsbeginn Suchtausprägung (AUDIT) und Suchtmittelwirksamkeitserwartung (SuWiE) erfasst sowie bei Aufnahme und Behandlungsende Suchtdynamik (MACS), Selbstwirksamkeitswahrnehmung (SWE) und Lebensqualität (HEALTH-49). Es gingen 255 komplette Datensätze von männlichen Patienten in die statistische Auswertung ein (T-Test, zweiseitig; p < 0,05). Für AUDIT und SuWiE wurde ein Mediansplit durchgeführt zur Frage, ob diese Parameter bei Aufnahme bedeutsam sind für die im Verlauf erzielbaren Behandlungsergebnisse.

Ergebnisse:

Der Vergleich der Anfangs- und Endergebnisse erbrachte signifikante Verbesserungen für Craving, Selbstwirksamkeitswahrnehmung sowie alle HEALTH-49-Unterscores. Differenziert nach Suchtmittelwirksamkeitserwartung bei Aufnahme, profitierten die Patienten mit höherer Suchtmittelwirksamkeitserwartung mehr bzgl. Craving, Selbstwirksamkeitswahrnehmung und den HEALTH-49-Unterscores als die Patienten mit geringerer Suchtmittelwirksamkeitserwartung (p < 0,05 für Abnahme interaktioneller Schwierigkeiten, sozialer Belastungen sowie Zunahme von Aktivität/Partizipation). Bei Differenzierung nach Suchtschwere bei Aufnahme profitierten umgekehrt die mit geringerer Suchtschwere mehr (p < 0,05 für Abnahme interaktioneller Schwierigkeiten sowie Zunahme von Aktivität/Partizipation, Selbstwirksamkeitserwartung und wahrgenommener sozialer Unterstützung).

Schlussfolgerung:

Stationäre Entwöhnungsbehandlung kann erhebliche Kompetenzzuwächse bewirken in der Bewältigung von Suchtdruck, in der Selbstwirksamkeitswahrnehmung und Belangen der empfundenen psychischen, physischen und sozialen Lebensqualität, die alle wesentliche Voraussetzungen für Abstinenz als Komplexziel darstellen. Während Suchtschwere den Therapieerfolg erschwert, erleichtert ihn ausgeprägte Suchtmittelwirksamkeitserwartung. Wir hypostasieren, dass bei hoher Suchtmittelwirksamkeitserwartung Wirkungsziele bewußt sind, so dass Ersatz durch funktionalere Strategien in der Therapie schneller erreichbar ist als bei wenig Wirksamkeitserwartung und damit vagerer Ausgangslage. Somit erscheint es hilfreich, vor einer stationären Entwöhnungsbehandlung Suchtmittelwirksamkeitserwartungen zu reflektieren und bewusst zu erarbeiten.