Gesundheitswesen 2017; 79(04): 299-374
DOI: 10.1055/s-0037-1602096
5. Mai 2017
Posterausstellung „Infektionsschutz“
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Studie zu Einflussfaktoren auf die Masernimpfraten zukünftiger Schulanfänger – Eindruck der Sozialmedizinischen Assistentinnen im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung in Baden-Württemberg

D Lohr
1   Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Stuttgart
,
G Pfaff
1   Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Stuttgart
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Publication History

Publication Date:
02 May 2017 (online)

 

Zielsetzung::

Voraussetzung für das von der WHO gesteckte Ziel der Masernelimination sind zwei Masernimpfungen für über 95% der Bevölkerung. Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen erfassen Sozialmedizinische Assistentinnen (SMA) den Impfstatus der Kinder und beraten Eltern zu Impfungen. Angesichts unzureichender Masernimpfquoten führte das LGA in Anlehnung an den WHO-Ratgeber für maßgeschneiderte Impfprogramme (Tailoring Immunization Programmes TIP) eine Befragung der SMA durch, um Gründe für Masernimpflücken bei künftigen Schulkindern zu identifizieren und Interventionsmöglichkeiten abzuleiten.

Methode::

Die Datenerhebung erfolgte mittels eines am LGA konzipierten Fragebogens während zwei Veranstaltungen für SMA. Berechnet wurden Häufigkeiten und Mittelwerte aus vorgegebenen äquidistanten Antwortmöglichkeiten von „nie“ (0 Punkte) bis „immer“ (4 Punkte). Wir stratifizierten nach Landkreisen mit höherer (> 90,2%) und niedriger (> 87,2%) Masernimpfquote für zwei Dosen und prüften die Signifikanz mittels Chi2-Test.

Ergebnis::

Der Rücklauf betrug 107 Fragebögen von 128 SMA aus 40 der 44 Kreise Baden-Württembergs. Gründe für fehlende Masernimpfungen waren: Eltern befürchten Nebenwirkungen (2,4/4 Punkten), Eltern glauben, dass Durchstehen von Kinderkrankheiten wichtig ist (2,3/4), Eltern befürchten Schäden durch Inhaltsstoffe (2,0/4) und eine Überforderung des Immunsystems (1,7/4) und sie halten Masernerkrankungen für harmlos (1,9/4) und selten (1,6/4). 90,7% der SMA sehen bei der Schuleingangsuntersuchung Kinder, deren Ärzte sie als impfkritisch bzw. -zögerlich einschätzen, mit signifikantem Unterschied (p = 0,023) zwischen SMA aus Kreisen mit hohen (87%) und niedrigen (100%) Masernimpfquoten. Diese SMA berichten von schlechteren Durchimpfungsraten bei Kindern, die von impfkritischen Ärzten betreut werden (2,7/4) und vom Nachholen verpasster Impfungen bei Arztwechsel (2,4/4). Andererseits suchen nach Beobachtungen der SMA impfkritische Eltern gezielt impfkritische Ärzte auf (3,2/4).

Schlussfolgerung::

Zur Steigerung der Masernimpfquoten bei Vorschulkindern empfehlen wir gezielte Elterninformationen zu Risiken der Masernerkrankung und Sicherheit von Masernimpfstoffen. Schulungsangebote für SMA zum Umgang mit Eltern und Informationen zu Masernimpfstoffen würden SMA bei der Impfberatung unterstützen. Gezielte Informationen und Aktionen bei Ärzten sind erforderlich, um deren Impfverhalten hinsichtlich STIKO-konformer Impfungen und Impfzeitpunkte zu verbessern.