Thorac Cardiovasc Surg 2017; 65(S 02): S111-S142
DOI: 10.1055/s-0037-1599030
DGPK Poster Presentations
Monday, February 13th, 2017
DGPK: e-Poster: Basic Science and Clinical Studies
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine „neue“ Gerinnungsstörung - das erworbene von-Willebrand-Syndrom ist keine Seltenheit bei komplexen kardochirurgischen Eingriffen im neugeborenen Alter

V. Icheva
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen, Tübingen, Germany
,
M. Nowak-Machen
2   Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Tübingen, Germany
,
M. Hofbeck
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen, Tübingen, Germany
,
U. Budde
3   Asklepios MVZ Nord GmbH, Hamburg, Germany
,
G. Wiegand
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen, Tübingen, Germany
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. Februar 2017 (online)

Kardiochirurgische Eingriffe bei Säuglingen mit komplexem Herzvitium sind mit einer hohen Rate an schweren intraoperativen Blutungskomplikationen behaftet. Die Ursachen dafür sind multifaktoriell, wie z.B. unreifes Gerinnungssystem, Hypothermie, lange Herz-Lungen-Maschinen-(HLM) Zeit, vergleichsweise große Wundfläche etc. Das erworbene von-Willebrand-Syndrom (EVWS) ist eine durch Verlust der großen von-Willebrand-Faktor (vWF) -Multimere bedingte Gerinnungsstörung, charakterisiert durch Blutungsneigung in Risikosituationen (z.B. Operationen, Verletzungen). Der Verlust der großen Multimere basiert auf einer Scherstress-bedingten übermäßigen Ausschüttung und Bindung der vWF-Multimere im Bereich von turbulenten Strömungen in der Blutbahn (z.B. an Klappenstenosen), sekundär kommt es zum Abbau und Verlust der vWF-Multimere. Ein EVWS wurde bereits bei Säuglingen mit offenem Ductus arteriosus (PDA) oder schwerer valvulärer/ vaskulärer Stenose beschrieben. Dennoch gibt es bisher keine veröffentlichten Daten über die intraoperative Häufigkeit und Auswirkungen nach HLM bei Säuglingen mit komplexem Herzfehler. 12 Neugeborene und Säuglinge (medianes Alter 16 Tage) mit kongenitalem Herzvitium (3 D-TGA, 1 L-TGA, 2 IAA, 3 HLHS, 1 UVH, 2 TAC) wurden intraoperativ vor Angang und nach Abgang von der HLM auf EVWS untersucht. EVWS wurde präoperativ bei 10 der 12 Patienten (83%) mittels Multimeranalyse festgestellt. Unmittelbar nach HLM-Abgang konnte es bei 8 von 12 Patienten (66%) immer noch nachgewiesen werden, obwohl es gleichzeitig bei 11 von 12 Patienten zu einem Anstieg der Absolutwerte für vWF-Antigen und vWF-Kollagenbindungskapazität kam. Die vWF:CBA/vWF:Ag -Ratio veränderte sich nicht signifikant. Es ist anzunehmen, dass aufgrund diagnostischer Schwierigkeiten das EVWS bisher eine Gerinnungsstörung ungeahnten Ausmaßes in diesem Patientenkollektiv war. Diese trägt jedoch maßgeblich zur ausgeprägten intraoperativen Blutungsneigung bei. Der Grund für die hohe Inzidenz ist vermutlich in erster Linie Scherstress an stenotischen oder Turbulenz-induzierenden Bereichen der Blutbahn. Weitere potentielle Ursachen müssen noch untersucht werden. Diese Daten zeigen eine neue Möglichkeit zur Optimierung der intraoperativen Gerinnungstherapie während HLM-Operationen im Säuglingsalter auf. Wir empfehlen aus diesem Grund die routinemäßige und frühzeitige Substitution von vWF/ FVIII-Konzentrat bei Hochrisiko-Eingriffen mit langer HLM-Dauer und diffuser Blutungsneigung.