Zeitschrift für Palliativmedizin 2016; 17(05): 1-59
DOI: 10.1055/s-0036-1594085
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Absichtsloser Umgang mit der Gleichzeitigkeit von Sterbewunsch und Lebenswille

A Gasper-Paetz
1   Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/Rhein-Sieg, Zentrum für Palliativmedizin, Bonn, Deutschland
,
H Hoffmann-Menzel
1   Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/Rhein-Sieg, Zentrum für Palliativmedizin, Bonn, Deutschland
,
B Jaspers
2   Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, Bonn, Deutschland
3   Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Deutschland
,
L Radbruch
1   Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/Rhein-Sieg, Zentrum für Palliativmedizin, Bonn, Deutschland
2   Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, Bonn, Deutschland
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. Dezember 2016 (online)

 

Fragestellung:

Im SAPV Team werden Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) betreut, bei denen häufig eine Gleichzeitigkeit von Lebenswille und Sterbewunsch (SW) besteht und thematisiert wird. Anhand einer Begleitung soll dargestellt werden, welchen Einfluss dies auf das versorgende Team hat.

Methodik:

Patientenbeispiel und Selbstreflexion im Team.

Fallbericht:

Patientin (40 Jahre, 3 Kinder – 21/12/4 Jahre, verheiratet, lebt zuhause) mit ALS, hochgradige Tetraparese, kontrollierte invasive Beatmung, PEG, Bulbärparalyse mit Anarthrie, schwere Dysphagie, kommuniziert über Augenkontakt, später Sprachcomputer. Phase 1: Bei Krankenhausaufenthalt äußert sie wiederholt den Wunsch, die Beatmung zu beenden. Schilderung großen psychischen Leids, Mangel an Lebensfreude und -qualität als Erklärung für SW. Gleichzeitig Wunsch, nun zu Hause versorgt zu werden und leben zu wollen. Verlegung nach Hause (Weihnachtsfest) bei 24h-Intensivpflege und SAPV-Begleitung mit Zusicherung, ggf. Beatmung zu beenden. Phase 2: (1 Jahr später) Nach einem Kurzurlaub mit Familie berichtet sie anhaltende tiefe Traurigkeit, „Bilder“ von Sterben, Beerdigung und Tod bei progredientem Krankheitsverlauf und stabiler Symptomkontrolle. SW wird konkret benannt bei gleichzeitiger Bekundung von Lebensfreude durch das Erleben ihrer Kinder.

Schlussfolgerung:

In beiden Begleitungen waren die Haltungen und Wünsche der Pat. jederzeit transparent. Die intensive Kommunikation in absichtsloser, ergebnisoffener Haltung beanspruchte sehr viel Zeit. Jedoch konnte das Team dadurch an den Denkprozessen und emotionalen Wechselbädern der Pat. teilhaben. Dass sowohl Lebens- als auch Sterbewunsch gleichzeitig thematische Schwerpunkte der Begleitung waren, wurde vom Team entgegen anfänglicher Erwartung nicht als besondere Belastung, sondern in der Reflexion als entlastend empfunden.