Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0036-1593932
Faszien – Morphologie und Grundlagen
So vieldeutig und allgemein anwendbar, wie der Begriff „Fascia“ in seiner ursprünglichen Bedeutung als Band oder Binde gemeint war, so heterogen sind die Strukturen, die nicht erst seit dem ersten internationalen Fascia Research Congress im Jahr 2007 darunter gezählt werden. Denn während noch bei Hyrtl die klassische Anatomie darunter „in longum et latum ausgebreitete, oder scheidenförmige, ganze Körperteile umschließende fibröse Häute“ versteht, werden zumindest seit den Werken von Wood Jones alle umhüllenden und verbindenden Strukturen, die aus kollagen-faserigem Bindegewebe bestehen, dazu gerechnet. Das heißt, es umfasst der Begriff „Faszie“ nicht nur die eigentlichen Hüllen im Bereich der Körperoberfläche sowie des Bewegungsapparates, sondern auch Sehnen, Bänder und Gelenkkapseln sowie Retinacula. Außerdem gilt es zu beachten, dass die Körperhöhlen sowie die Organe ebenfalls mit einer Faszie resp. Kapsel überzogen sind. Im Bereich der Körperhöhlen ist damit die Tela subserosa, also die bindegewebige Verschiebeschicht an der Außenseite der Tunica serosa anzusprechen, im Bereich der in den serösen Höhlen befindlichen Organe die ebenfalls subserös gelegene bindegewebige Kapsel. Leider besteht bei diesen viszeralen Faszien ein offensichtlich aus der Populärwissenschaft kommendes Missverständnis – sie werden mit der Tunica serosa gleichgesetzt. Da deren Ausbreitung aber auf die jeweilige seröse Höhle begrenzt ist, die außerhalb liegende Faszie aber entlang übergreifender Strukturen (z.B. des Oesophagus) mit den benachbarten Körperabschnitten und letztendlich sogar mit der tiefen Halsfaszie verbunden ist, sind diese beiden Strukturen auch funktionell voneinander getrennt zu beachten. Aus zwei Schichten aufgebaut ist auch die Dura mater, die neuerdings ebenfalls dem Fasziensystem des Körpers zugerechnet wird. Sie besteht aus einem äußeren periostalen und einem inneren meningealen Blatt. Interessanterweise wurden in beiden Schichten der Dura sogenannte „stress fibres“ nachgewiesen, deren Orientierung möglicherweise durch Zugbelastungen währende der Embryonal- und Fetalperiode definiert wird. Schon seit langem bekannt ist die Tatsache, dass unser Unterhaut-Fettgewebe ebenfalls durch faszienartige Bildungen organisiert ist: die oberflächliche, dünnere Camper-Faszie und die tiefe, membranöse Scarpa-Faszie. Letztere wurde ursprünglich im Bereich der Bauchwand beschrieben, findet sich aber ebenso wie ihr oberflächlicheres Pendant als panniculus adiposus generell in der Subkutis. Die direkte kraftübertragende Eigenschaft von Faszien im klassischen Sinn wird besonders bei aponeurotisch verstärkten Anteilen, wie z.B. dem Tractus iliotibialis, aber auch bei skeletergänzend wirkenden Faszien, wie der Fascia infraspinata evident. Diese zeigen sehr augenscheinlich, dass unser Körper zur Aufnahme und Übertragung der auf ihn einwirkenden Kräfte in sinnvoller Weise dynamisch verspannt ist.