Z Gastroenterol 2016; 54 - KV050
DOI: 10.1055/s-0036-1586826

Wieviel Dünndarm braucht der Mensch?

P Pick 1, T Carus 1
  • 1Asklepios Westklinikum Hamburg, Abteilung für Allg.- Viszeral- u. Gefäßchirurgie/Zentrum für Minimal-Invasive Chirurgie, Hamburg, Deutschland

Hintergrund: Allgemein geht man davon aus, dass bei einem Verlust von ca. 75% des Dünndarmes ein Kurzdarmsyndrom entsteht. Dadurch ist die Resorption von Nährstoffen so stark vermindert, dass besondere Maßnahmen notwendig sind, um eine Adaptation des verbliebenen Darmes an die neue Situation zu ermöglichen. Über die absolut notwendige Dünndarmlänge existieren nur wenig Daten.

Methodik: Bei einer 23J. alten Pat. bestanden eine M. Adipositas mit einem BMI von 55 kg/m2 sowie wesentliche Begleiterkrankungen. 04/2014 wurde eine metabolische Operation in Form eines Magenbypasses in laparoskopischer Technik durchgeführt. Bis 11/2015 erfolgte eine Gewichtsreduktion von 45 kg. Im Rahmen einer diagnostischen Laparoskopie wegen unerfüllten Kinderwunsches wurde ein großer solider Tumor im rechten Oberbauch diagnostiziert. Es erfolgte eine offene R0-Resektion des Tumors. Intraoperativ fanden sich mehrere Dünndarmschlingen fest verwachsen am Tumor, sodass eine Teilresektion der alimentären Schlinge erforderlich wurde. Histologisch fand sich eine Mesenteriale Fibromatose vom Desmoid-Typ mit einer Tumorgröße von 19 × 19 × 9 cm und 1,3 kg. Postoperativ kam es zu einer Ischämie im Gebiet der A. mesent. sup., sodass nur 50 cm prox. Jejunum und das linksseitige C. transversum erhalten werden konnten. Die Rekonstruktion erfolgte durch eine Gastro-Gastrostomie und eine Jejuno-Transversostomie.

Ergebnis: Als Folge der Dünndarmresektion besteht bei der Pat. ein Kurzdarmsyndrom mit 50 cm prox. Jejunum. Bis 02/2016 erfolgte ausschließlich eine enterale Ernährung ergänzt mit speziellen Zusatzprodukten unter enger Anbindung an eine spezialisierte Ökotrophologin und unsere gastroenterologische Abteilung. Es bestehen 5 – 6 Stuhlgänge tägl., Gesamteiweiß und Albumin sind leicht erniedrigt. Eine anfängliche Schwäche bessert sich, sodass die Pat. den Alltag mithilfe bereits wieder bewältigen kann.

Schlussfolgerung: Auch ausgedehnte Dünndarmresektionen lassen sich heute gut behandeln. Um eine gute Adaptation der Darmfunktion langfristig zu erreichen, ist eine frühzeitige, umfassende Therapie mit enger Anbindung an eine spezialisierte Fachabteilung erforderlich. Unter diesen Bedingungen ist eine großzügige Indikationsstellung zur ausgedehnten Dünndarmresektion auch in höherem Alter gerechtfertigt.