Gesundheitswesen 2016; 78 - A192
DOI: 10.1055/s-0036-1586701

Eltern mit Behinderungen zwischen bedarfsgerechter Unterstützung und Zuständigkeitsstreit

M Michel 1, I Conrad 1, M Müller 1, B Pantenburg 2
  • 1Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig
  • 2Universität Leipzig, Leipzig

Hintergrund: Vor 10 Jahren wurde die UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet. Seit dieser Zeit gibt es umfangreiche Bemühungen, Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen. Für die Wahrnehmung des Rechts auf selbstbestimmte Elternschaft besteht jedoch noch immer großer Nachholbedarf in Forschung und Praxis.

Fragestellung: Im Rahmen einer durch das BMAS geförderten Studie soll der Stand der Umsetzung des Artikels 23 der UN-BRK ermittelt werden. Sowohl aus der Sicht der Leistungsträger als auch der Leistungserbringer und Leistungsnehmer werden Angebote zur Unterstützung von Eltern mit Behinderungen in Bezug auf Bedarfsgerechtigkeit, Kosten und trägerübergreifende Zusammenarbeit analysiert.

Methodik: Nach intensiver Recherche der Zuständigkeit für Leistungen zur Unterstützten Elternschaft im Bundesvergleich wurden alle Träger der Jugend- und Eingliederungshilfe bundesweit angesprochen, um sie zur Teilnahme an einer online-Umfrage zu gewinnen, ebenso alle Leistungserbringer der Elternassistenz und der Begleiteten Elternschaft. Die Erhebungsinstrumente umfassten sowohl gleiche als auch träger- oder leistungserbringerspezifische Fragestellungen. Parallel dazu werden qualitative Fallstudien mit Eltern mit Behinderungen erarbeitet.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 319 Träger der Jugendhilfe, 268 Träger der Sozialhilfe und 85 Leistungserbringer in die Studie einbezogen. Die Bereitschaft der Leistungsträger zur Teilnahme an der Studie war gering, begründet durch hohe personelle und zeitliche Belastungen der Ämter oder eine eingeschränkte Sicht auf spezifische Unterstützungsbedarfe dieser Elterngruppe. Dabei zeigen sich deutliche regionale Unterschiede. Die Angebote für Eltern mit Behinderungen gestalten sich dem entsprechend ebenfalls differenziert. Einerseits zeigen sich Verunsicherungen bezüglich der rechtlichen Situation zur Unterstützten Elternschaft bei Leistungsträgern und Leistungsempfängern, die zu Unter- oder Fehlversorgung der Eltern führen. Andererseits belegen die Beispiele der Leistungsanbieter, dass bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts bedarfsgerechte Unterstützung geleistet werden kann.

Diskussion: Die Familie steht unter dem Schutz der Gesellschaft. Das gilt uneingeschränkt auch für Eltern mit Beeinträchtigungen. Eine bedarfsgerechte Unterstützung der Eltern dient auch der Sicherung des Kindeswohls. Durch enge Zusammenarbeit von Jugend- und Eingliederungshilfe, Leistungserbringern und Eltern gelingt es in einigen Bundesländern, selbstbestimmte Elternschaft im Sinne der UN-BRK zu gewährleisten, in anderen Bundesländern besteht noch deutlicher Handlungsbedarf.

Praxisrelevanz: Mit den Ergebnissen der Studie wird ein Beitrag geleistet zur Umsetzung des Artikels 23 der UN-BRK in Deutschland sowie zur Diskussion um das Bundesteilhabegesetz. Referenzen beim Verfasser.