Gesundheitswesen 2016; 78 - A186
DOI: 10.1055/s-0036-1586695

Herausforderungen beim Datenhandling am Beispiel einer routinedatenbasierten und kassenübergreifenden Studie zur wissenschaftlichen Evaluation von Modellvorhaben nach §64b SGB V (EVA64)

A Feißel 1, K Arnold 2, D Häckl 3, R Kliemt 3, D Küster 2, J Milarczyk 1, 4, A Neumann 2, A Pfennig 5, J Schmitt 2, E Swart 1, J Weiß 6, S March 1
  • 1Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg
  • 2Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden
  • 3WIG2 Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung Leipzig, Leipzig
  • 4Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg
  • 5Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden
  • 6Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden

Hintergrund/Ziel: Das bisher größte kassenübergreifende Projekt EVA64 unternimmt entsprechend §65 SGB V eine bundesweit einheitliche gesetzlich verpflichtete Evaluation von seit 2013 laufenden und bis 2016 neu kontrahierten psychiatrischen Modellvorhaben nach §64b SGB V im Vergleich zur Regelversorgung unter Nutzung von Routinedaten von maximal 94 gesetzlichen Krankenkassen aus Modellkliniken und strukturähnlichen Kontrollkliniken. Eine heterogene Kassenlandschaft und das föderal geprägte deutsche Gesundheitswesen mit länderspezifischen Vergütungsregelungen beeinflussen die in ihrem Umfang der einbezogenen Modelle und Krankenkassen neuartige Studie. Die damit verbundenen methodischen und technischen Herausforderungen bei der Datenprüfung und -aufbereitung werden aufgezeigt.

Methoden: Die Modelllaufzeit beträgt jeweils 8 Jahre, die Evaluation endet 2025. Eingeschlossen in die Analyse werden alle bei einer der beteiligten Kassen versicherten Patienten, die während des Evaluationszeitraums in einer psychiatrischen Abteilung der Modell- bzw. Kontrollkliniken stationär oder ambulant (Psychiatrische Institutsambulanz) behandelt werden und mindestens eine der 16 Indexdiagnosen (F-Diagnose, ICD-10) aufweisen. Es erfolgt sowohl eine retrospektive als auch eine prospektive Analyse ab Indexfall (= Erstbehandlung in Modell- oder Kontrollklinik). Die jährliche Datenlieferung beginnt nach Studienplan für alle Kassen im Herbst 2016, für einen ersten Zwischenbericht konnten einzelne Kassen ihre Lieferung auf das Frühjahr 2016 vorziehen. Eine einheitliche Datensatzbeschreibung soll einen homogenen Datensatz gewährleisten. Die Modell- und Kontrollkliniken sind deutschlandweit verteilt. Dies bedingt die Beachtung länderspezifischer und regionaler Besonderheiten.

Ergebnisse: Als besonders hilfreich erweist sich die kassenübergreifend konsentierte Datensatzbeschreibung. Dennoch ist ein regelmäßiger Austausch mit den Datenlieferanten notwendig, um kassenspezifische Besonderheiten in den Daten zu identifizieren und einheitlich aufzubereiten. Des Weiteren muss beachtet werden, dass die Kosten der vertragsärztlichen Versorgung nicht generell über den bundeseinheitlichen Katalog des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) abgebildet werden. In bis zu 20% der Fälle gibt es Einträge aus 17 KV-spezifischen Katalogen mit abweichenden Leistungen und Punktwerten. Zudem beeinflussen u.a. Selektivverträge im ambulanten Sektor die Datenqualität. Derartige Besonderheiten erschweren die Datenaufbereitung zu einem kassenübergreifendenden Datensatz und die sich anschließende Operationalisierung der a-priori-definierten Outcomeindikatoren.

Diskussion/Praxisrelevanz: Eine Evaluation auf Basis der Daten beinahe aller gesetzlichen Krankenkassen ermöglicht eine umfassende Analyse des Versorgungsgeschehens bei psychiatrischen Erkrankungen. Die heterogene Kassenlandschaft wirft eine Vielzahl technischer und methodischer Herausforderungen auf. Die Erfahrungen aus dieser Studie werden vielfältige methodische Erkenntnisse für zukünftige kassenübergreifende Evaluationen neuer Versorgungsmodelle generieren.