Gesundheitswesen 2016; 78 - A165
DOI: 10.1055/s-0036-1586675

Sterberisiko eines Herzinfarktpatienten nach Geschlecht, Alter und Indikatoren der Versorgung vor und nach dem Infarkt

T Schäfer 1, C Lorenz 2, HW Priess 3, EM Bitzer 4
  • 1Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen, Bocholt
  • 2Boehringer Ingelheim, Ingelheim
  • 3Iges, Berlin
  • 4Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg

Daten und Methoden: Ausgewertet wurden pseudonymisierte Abrechnungsdaten der AOK Niedersachsen und der Kaufmännischen Krankenkasse der Abrechnungsjahre 2004 bis 2010. Die Herzinfarkt-Kohorte bestand aus Versicherten mit Myocardinfarkt im Jahr 2006 (I21 oder I22 im ICD 10, ambulant oder stationär dokumentiert), aber ohne ein solches Ereignis in den Jahren 2004 und 2005. Zur Nachbeobachtung standen die Jahre 2007 bis 2010 zur Verfügung. Die Kohorte umfasste 8.854 Versicherte, von denen 32,8% innerhalb von fünf Jahren nach dem Infarkt verstorben sind. Wir haben die 5-Jahres-Sterblichkeit mithilfe von COX-Regressionsanalysen untersucht. Als potenzielle Einflussgrößen wurden Ko-Morbiditäten sowie weitere Indikatoren der Versorgung vor- und nach dem Infarkt betrachtet. Die Effekte sind durch nach Geschlecht und Alter standardisierte Hazard-Ratios (HR) beschrieben.

Ergebnisse: Mit erhöhter Sterblichkeit gegenüber der jeweiligen Referenzkategorie ist assoziiert: männliches Geschlecht (HR = 1,11; 95%-KI: 1,03 bis 1,20) und höheres Lebensalter (pro Lebensjahr HR 1,07). Ebenso geht die Verordnung von Antidiabetika, Antithrombotika und Antidepressiva im Jahr vor dem Infarkt in plausibler Weise mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einher: HRs zwischen 1,2 und 1,5 je nach Höhe der verordneten Tagesdosen (DDDs). COPD, Diabetes mellitus, pulmonale Hypertonie, Niereninsuffizienz und Verhaltensstörungen durch Alkohol sind als Begleiterkrankungen des Myocardinfarktes jeweils mit einer erhöhter Sterblichkeit verbunden (HRs zwischen 1,5 und 3,0), und zwar höher, wenn sie während des stationären Aufenthaltes zur Behandlung des Infarktes diagnostiziert wurden, als im Jahr vor dem Infarkt ambulant als KHK-Komorbidität (HRs zwischen 1,1 und 1,4).

Mit geringerer Sterblichkeit verbunden ist die Teilnahme an einer Check-up Untersuchung (HR = 0,51, 95%-KI: 0,43 bis 0,60) und das Vorliegen einer Lipidstoffwechselstörung im Jahr vor dem Infarkt (HR = 0,81, 95%- KI: 0,74 bis 0,88). Der Effekt einer DMP-Teilnahme (KHK oder Diabetes mellitus) wird statistisch nicht signifikant. Revaskularisierende Maßnahmen reduzieren das Sterberisiko erheblich (in der günstigsten Variante, durch Einsatz von beschichteten Stents auf unter 50%) und durchgehend statistisch signifikant. Die stärkste (und signifikante) Reduktion des Sterberisikos auf deutlich unter 50% geht mit der Verordnung von Antithrombotischen Mitteln (Wirkstoffgruppe B01A) im ersten Jahr nach dem Index-Ereignis einher. Die möglichst kontinuierliche Verordnung von Betablockern reduziert das Sterberisiko ab dem zweiten Jahr ebenfalls signifikant auf unter 50%. Referenzen beim Verfasser.