Gesundheitswesen 2016; 78 - A135
DOI: 10.1055/s-0036-1586645

Gesundheitsbildung an Schulen – Legitimation und Status quo

MA Marchwacka 1
  • 1Universität Paderborn, Paderborn

Laut empirischer Studien (u.a. KiGGS, HBSC) wird Bildung als eine der wichtigsten Determinanten der Gesundheit betrachtet, die gesundheitliche Ungleichheit zur Folge haben kann; auch migrationsbedingte Aspekte sind im Hinblick auf Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu thematisieren. In diesem Kontext ist die Sozialisationsinstitution Schule hervorzuheben, die eine kompensatorische Funktion im Sinne der Gesundheitsbildung übernehmen kann, zumal sie jedes Kind, unabhängig von dem sozio-ökonomischen Status, erreichen kann. Hierbei stellt sich die Frage nach dem Status quo sowie nach den Perspektiven in der Lebenswelt „Schule“, die in diesem Beitrag aufgezeigt werden.

Methode: Inwieweit Lehrpersonen dieser Querschnittaufgabe an Schulen einen hohen Stellenwert einräumen, wird auf der Basis einer qualitativen Studie (Leitfadeninterviews) mit 30 Lehrkräften an Grund-, Haupt-/Real-/Gesamtschulen sowie an Gymnasien in Nordrhein-Westfalen im Alter von 30 und 60 Jahren aufgezeigt. Die Interviews dauerten ca. 45 Minuten und basierten auf einem Leitfaden, dem folgende Kategorien zugrunde lagen: Gesundheitsverständnis, Risiko- und Schutzfaktoren, Gesundheitsbildung, Zuständigkeit der Aufgabe, Lehrer als Vorbilder, Bewertung aktueller Maßnahmen, Perspektiven, Lehrergesundheit. Die Auswertung stützt sich auf die Inhaltsanalyse nach Mayring; dem Kodierungsprozess liegt das MAXQDA-Programm zugrunde.

Ergebnisse: Hervorzuheben ist die positive Haltung der Lehrerinnen und Lehrer gegenüber der Gesundheitsbildung an Schulen. Gleichwohl beklagen die befragten Lehrkräfte den geringen Stellenwert: Die Hauptdefizite liegen vor allem in der punktuellen Umsetzung im Rahmen vereinzelter Projekte statt ganzheitlicher Ausrichtung der Gesundheitsbildung. Des Weiteren beklagen sie die fehlende Kontinuität gesundheitsförderlicher Themen sowie unzureichende Elternarbeit und mangelnde Vernetzung mit außerschulischen Institutionen. Mit Nachdruck wurden von allen Probandinnen und Probanden Maßnahmen zur Lehrergesundheit gefordert sowie gesundheitsförderliche Ausstattung der Schulen.

Fazit/Handlungsperspektiven: Historisch betrachtet wird hinsichtlich der Gesundheitsbildung in der Schule ein Paradigmenwechsel deutlich, welcher sowohl in den Empfehlungen der KMK als auch in den jeweiligen Schulgesetzen erkennbar ist: Von dem normorientierten Gesundheitsimperativ zu der emanzipatorischen Gesundheitsbildung mit dem lebensweltbezogenen und ressourcenorientierten Ansatz. Insofern erfordert die Umsetzung der Gesundheitsbildung an Schulen vor allem Engagement und Kompetenzen seitens des Lehrerkollegiums sowie der Schulleitung und Unterstützung durch die Eltern und regionale Einrichtungen/Einrichtungen. Des Weiteren setzt Gesundheitsbildung voraus, dass gesellschaftliche Anreize und partizipationsorientierte Lebenswelten geschaffen und individuelle Motivationen geweckt werden, mit dem Ziel einen lebenslangen integrativ-reflexiven Lernprozess zu initiieren. Referenzen beim Verfasser.