Gesundheitswesen 2016; 78 - A116
DOI: 10.1055/s-0036-1586626

Barrierefreiheit in Nordrhein-Westfalen: Status quo und Unterschiede in der Wahrnehmung verschiedener Bevölkerungsgruppen basierend auf einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung

N Rosenkötter 1, J Preckel 1, B Borrmann 1
  • 1Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen, Bielefeld

Einleitung/Ziel: Grundvoraussetzung für eine inklusive Gesellschaft ist u.a. die Barrierefreiheit, um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Für eine allgemeine Bewertung der Barrierefreiheit in Nordrhein-Westfalen (NRW) sollen der Status quo sowie Unterschiede zwischen Siedlungsstrukturen und Bevölkerungsgruppen bezüglich der wahrgenommenen Barrierefreiheit von Arztpraxen/Apotheken, öffentlichem Personenverkehr (ÖPV), öffentlichen Einrichtungen, Gastronomie sowie Geschäften des täglichen Bedarfs in NRW untersucht werden.

Methode: Die Analyse basiert auf dem NRW-Gesundheitssurvey, einem repräsentativen Telefonsurvey (1.510 Erwachsene, Befragungszeitpunkt Ende 2014). Die Befragten sollten die Barrierefreiheit o.g. Infrastrukturen in ihrem Wohnort bewerten (Barrierefreiheit gegeben: ja, teilweise/nein). Als Einflussfaktoren wurden die Struktur des Wohnorts (Referenz (Ref): Großstadt), das Geschlecht (Ref: männlich), das Alter (Ref: 18 – 29), der Sozialstatus (Ref: hoher Sozialstatus), die Nutzung eines Rollstuhls/Rollators (Ref: keine Nutzung) mithilfe einer logistischen Regression überprüft.

Ergebnisse: Eine barrierefreie Zugänglichkeit wurde am häufigsten Geschäften des täglichen Bedarfs zugeschrieben (83%), gefolgt von Arztpraxen/Apotheken (74%), öffentlichen Einrichtungen (70%), dem ÖPV (62%) und der Gastronomie (53%). Die Ergebnisse der logistischen Regression, werden hier beispielhaft für den ÖPV gezeigt. Der ÖPV wurde von Dorfbewohnern (OR 0,53; 95% KI 0,38 – 0,72) und Bewohnern von Klein- (OR 0,55; 95% KI 0,39 – 0,78) und mittelgroßen Städten (OR 0,65; 95% KI 0,47 – 0,89) im Vergleich zu Großstädtern mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit als barrierefrei bewertet. Auch Frauen (OR 0,72; 95% KI 0,57 – 0,91) und Personen, die auf einen Rollator oder Rollstuhl angewiesen sind (OR 0,44; 95% KI 0,26 – 0,77), nehmen den ÖPV seltener als barrierefrei wahr. Das Alter hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Wahrnehmung der Barrierefreiheit des ÖPV, außer in der Altersgruppe 80plus (OR 3,55; 95% KI 1,70 – 7,42). Menschen mit niedrigem (OR 2,25; 95% KI 1,62 – 3,14) oder mittlerem Sozialstatus (OR 1,58; 95% KI 1,16 – 2,13) bewerten den ÖPV im Vergleich zur Referenzgruppe mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als barrierefrei.

Diskussion: Die Barrierefreiheit kann in einer NRW-weiten Querschnittsbefragung nur allgemein analysiert werden. Dennoch liefert die Analyse Hinweise für Nachbesserungsbedarf, insbesondere im ÖPV und der Gastronomie. Die positive Bewertung durch Ältere sowie Unterschiede nach Sozialstatus, die sich auch für andere Infrastrukturen zeigten, können durch eine unterschiedlich kritische Haltung, eine Vermeidung von Barrieren (Ältere) sowie methodisch bedingt sein.

Schlussfolgerung: Um unterschiedliche Eindrücke und Bedarfe zu berücksichtigen, sollten bei kommunalen Infrastrukturmaßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit verschiedene Bevölkerungsgruppen einbezogen werden.