Gesundheitswesen 2016; 78 - A102
DOI: 10.1055/s-0036-1586612

Kombinierte Interventionen in der Prävention: Oft empfohlen – gut evaluiert? Ein systematisches Review bezogen auf Kinder im Vorschulalter

A Kula 1, C Wiedel 1, U Walter 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover

Hintergrund: Prävention und Gesundheitsförderung bei Kindern sollen helfen gesunde Lebensstile frühzeitig zu erlernen und Impulse für lebenslanges gesundheitsförderliches Verhalten geben. Weltweit sind zahlreiche auf Kinder im Vorschulalter gerichtete Programme zu finden, in denen Maßnahmen aus den zentralen Handlungsfeldern Ernährung, Bewegung und Lebenskompetenz kombiniert werden. Über ihre Effekte ist dagegen wenig bekannt. Das Review trägt dazu bei, diese Wissenslücke zu schließen. Es entstand als zusätzliches Modul einer systematischen Literaturrecherche zur Ermittlung der Effektivität kombinierter Interventionen bei Kindern und Jugendlichen in Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Methodik: Zwölf Datenbanken wurden für den Zeitraum 2004 bis September 2014 durchsucht. Ergänzend wurde eine Handsuche sowie die Sichtung themenverwandter Reviews auf weitere relevante Primärstudien durchgeführt. Titel-, Abstract- und Volltextsichtung erfolgten durch zwei Personen. 191 Titel wiesen auf Studienpopulationen mit Kindern im Vorschulalter hin. Eingeschlossen wurden Studien mit Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren, die Interventionsmaßnahmen in mindestens zwei der Bereiche Bewegung, Ernährung und Lebenskompetenz evaluieren, eine Kontroll-/Vergleichsgruppe aufweisen sowie Outcomeparameter direkt bei den Kindern erheben.

Ergebnisse: Acht Primärstudien erfüllen die Einschlusskriterien, davon sind drei aus dem europäischen Raum. Sämtliche Studien wurden randomisiert durchgeführt, überwiegend im Cluster-Design. Keine der Studien weist eine Follow-up Erhebung auf, keine der Interventionen umfasst Maßnahmen aus dem Bereich der Lebenskompetenz. Sämtliche Studien beinhalten verhaltensorientierte Maßnahmen, der überwiegende Teil ebenso verhältnisorientierte Komponenten. Über die Hälfte der Studien weist positive Interventionseffekte für anthropometrische oder/und bewegungsbezogene Outcomeparameter nach. Zwei Studien berichten signifikante Unterschiede bezogen auf den BMI z-score zugunsten der Interventionsgruppen.

Diskussion: Trotz sensitiver Literaturrecherche wurden nur acht Primärstudien identifiziert, die den eher weit gefassten Einschlusskriterien genügen. Positive Interventionseffekte lassen auf die Verbesserung von Entwicklungschancen durch die beschriebenen Interventionen schließen. Es fehlen aber Studien mit Follow-up, um Aussagen zur Nachhaltigkeit möglicher Effekte treffen zu können. Die wissenschaftliche Studienlage erscheint unzureichend. Die Überlegenheit kombinierter Interventionen gegenüber Maßnahmen in einzelnen Handlungsfeldern ist insbesondere mit Blick auf die Ressourcenintensität noch zu prüfen. Obwohl bspw. im Gesundheitsziel Gesund Aufwachsen gefordert1, scheint das Potenzial von Lebenskompetenzprogrammen im Rahmen ernährungs- und bewegungsbezogener Interventionen für Kinder im Vorschulalter nicht ausgeschöpft zu sein. Referenzen beim Verfasser.