Gesundheitswesen 2016; 78 - A98
DOI: 10.1055/s-0036-1586608

Partizipation strukturell verankern und systematisch entwickeln. Die Adaption eines Stufenmodells der Partizipation als Reflexionsinstrument in der partizipativen Forschung

G Bär 1, I Schaefer 1
  • 1Alice Salomon Hochschule Berlin, Berlin

Hintergrund: Im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsverbundes PartKommPlus – Gesunde Kommunen durch integrierte, partizipative Strategien der Gesundheitsförderung (Förderzeitraum 2015 – 2018) – werden gegenwärtig Erfahrungen mit der Umsetzung von Verfahren partizipativer Gesundheitsforschung gesammelt. Dabei grenzt sich Partizipation gegenüber anderen Formen der Beteiligung durch die gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen allen Beteiligten ab. Für die Einschätzung des Ausmaßes an Partizipation hat sich inzwischen die Nutzung eines Stufenmodells etabliert, das sich wesentlich auf eine Entwicklung im Rahmen amerikanischer Stadtentwicklungsprojekte in den 60er Jahren stützt.

Methoden: Im Teilprojekt „Eltern fragen Eltern: Wege in die Kita“ (ElfE) wurden für die zwei Fallstudien in Berlin und Brandenburg Steuerungsgruppen aufgebaut, die sich aus Beteiligten der Kommune (u.a. Netzwerk Frühe Hilfen) sowie weiteren Akteuren aus dem Bereich Familie und Migration zusammen setzen. Im Rahmen der regelmäßigen Treffen der Steuerungsgruppen wird ein adaptiertes Stufenmodell eingesetzt, um die Intensität der Beteiligung zu reflektieren und die Diskussion über die partizipative Zusammenarbeit in der Gemeinschaftsforschung anzuregen.

Ergebnisse: Die Erwartung an die Intensität der Zusammenarbeit variiert zwischen den Beteiligten, den beiden Fallstudien und außerdem zwischen den Phasen des Forschungsprozesses. Zwar werden seitens der kommunalen Partner ebenso wie der weiteren Akteure sowohl in der Planungsphase als auch in der Umsetzungsphase Unterschiede zwischen dem IST- und SOLL-Zustand in Bezug auf die Intensität der gemeinsamen Entscheidungsfindung konstatiert. Zugleich werden daraus keine konkreten Veränderungsbedarfe in Bezug auf die Zusammenarbeit abgeleitet. Die Erwartung an die Intensität der Partizipation fiel im großstädtischen Bezirk gegenüber dem ländlichen Bereich höher aus, was aber keine Differenzen im Soll-Ist-Vergleich nach sich zog. Der Einsatz des Stufenmodells für die Reflexion hat sich nach anfänglicher Skepsis als gewinnbringend für die Reflexion erwiesen.

Schlussfolgerungen und Praxisrelevanz: Die partizipative Zusammenarbeit ist für die kommunalen Partner ebenso wie für Initiativen und andere Akteure auf Stadtteilebene ungewohnt. Insbesondere der Anspruch an eine „geteilte Entscheidungsmacht“ bedarf in der Praxis der Konkretisierung, um daran anknüpfend Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, die über eine Mitbestimmung hinausgehen. Der Einsatz eines Stufenmodells fördert dabei den Anspruch an partizipative Zusammenarbeit. Kritisch wird die „Eindimensionalität“ der Skala in Bezug auf Entscheidungsteilhabe bewertet. Zeitliche Verläufe werden im Prozess berücksichtigt, die Wissensdimension verdient noch eine systematischere Berücksichtigung. Referenzen beim Verfasser.