Gesundheitswesen 2016; 78 - A96
DOI: 10.1055/s-0036-1586606

Evaluation von Empowerment in Interventionen der Gesundheitsförderung: eine systematische Übersichtsarbeit

V Lindacher 1, J Curbach 1, B Warrelmann 1, S Brandstetter 1, J Loss 1
  • 1Medizinische Soziologie, Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin, Universität Regensburg, Regensburg

Hintergrund: Empowerment zielt darauf ab, Menschen zu befähigen, sich aktiv für die Gestaltung von gesundheitsförderlichen Verhältnissen einzusetzen. Obwohl Empowerment laut Weltgesundheitsorganisation als Kernstrategie der Gesundheitsförderung gilt, existiert kein Goldstandard für dessen Evaluation. Für die Entwicklung effektiver Maßnahmen zur Förderung von Empowerment sind jedoch adäquate Studiendesigns, Methoden und Indikatoren unabdingbar, um zu erkennen, welche Interventionsansätze funktionieren.

Studiendesign: Um zu analysieren, welche methodischen Vorgehensweisen bei der Evaluation von Empowerment bislang verwendet wurden und welche Herausforderungen und Vorteile mit spezifischen Studiendesigns verbunden sind, wurde eine systematische Übersichtsarbeit angefertigt. In den Datenbanken PubMed (inkl. MEDLINE), Web of Science und PsycINFO wurde mit den Begriffen „empowerment“ und „health promotion“ recherchiert. Eingeschlossen wurden Originalarbeiten zu Interventionen, (1) deren theoretische Konzepte auf Gesundheitsförderung und Empowerment basieren, und (2) die Empowerment empirisch evaluieren.

Ergebnisse: Die Suche ergab nach Ausschluss von Duplikaten 1580 Treffer. Nach einem zweistufigen unabhängigen Screeningprozess durch zwei Wissenschaftler wurden 26 Artikel eingeschlossen, v.a. Interventionen im Bereich HIV, Suchtmittelkonsum und Sport. Die Interventionen verwenden ein breites Spektrum an Studiendesigns, wobei qualitative und Mixed-Methods-Designs dominieren; diese nutzen zahlreiche Datenerhebungsmethoden (z.B. Interviews, Feldnotizen). Auch die eingesetzten quantitativen Messinstrumente sind heterogen, da jede Studie eigene Fragebögen entwickelte. Alle Studien operationalisieren Empowerment über individuelle kognitive und motivationale Indikatoren; organisationsbezogene und politische Dimensionen von Empowerment werden seltener berücksichtigt. Die Wahl quantitativer Designs wird über das Anliegen, einen Wirkungsnachweis erbringen zu wollen, begründet. Qualitative Studien bewerten die Flexibilität der damit einhergehenden Datenerhebungsmethoden als vorteilhaft, da auf Kontext und Entwicklungen im Feld reagiert werden kann; Mixed-Methods-Studien betonen die Möglichkeit zur Triangulation. Die Studien arbeiten mit verschiedenen Qualitätssicherungsmaßnahmen, z.B. die Beteiligung von Zielgruppenvertretern und/oder Experten bei der Entwicklung von Erhebungsinstrumenten bzw. zur Verifizierung der Daten. Außerdem werden die Kombination unterschiedlicher Datentypen und -quellen (z.B. Einbezug von Schlüsselpersonen), eine engmaschige Begleitung ablaufender Prozesse sowie eine ständige Anpassung der Evaluation (z.B. der Interviewleitfäden) als Qualitätsaspekte herausgestellt.

Diskussion: Die Heterogenität der Studiendesigns und eingesetzten Instrumente ist erstaunlich, spiegelt aber die Bedeutung kontextueller Faktoren bei Empowerment wider. Universallösungen für dessen Evaluation sind deshalb möglicherweise ungeeignet, um das vielschichtige Konzept zu erfassen. Dennoch wäre ein Minimalkonsens zu Studiendesigns und zentralen Indikatoren wünschenswert, um die Vergleichbarkeit von Ergebnissen zu erleichtern.