RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0036-1586566
Systemmedizin – Zukunftsvision der Gesundheitsversorgung, Ergebnisse der Fokusgruppen-Interviews: Präferenzen, Einstellungen und Nutzungsbereitschaft aus Bevölkerungs- und Patientenperspektive
Hintergrund: Die Systemmedizin ist ein medizinischer Ansatz, der auf der Zusammenführung einer großen Menge vielfältiger biologischer, neuropsychologischer und sozio-demographischer Daten beruht. Sie zielt auf Fortschritte im Verständnis, in der Erkennung, in der Vermeidung und in der Behandlung von Krankheiten. Nicht nur die Evidenz in Bezug auf die Effektivität systemmedizinischer Anwendungen, sondern auch die Präferenzen und Akzeptanz der Nutzer werden über die Implementierung im Gesundheitswesen entscheiden.
Fragestellung: Es wurden mittels Fokusgruppen Einstellungen, Erwartungen und Haltungen in der Allgemeinbevölkerung und in einer ausgewählten Patientengruppe im Hinblick auf die Implementierung der Systemmedizin im deutschen Gesundheitssystem erhoben. Bisher gibt es zur Fragestellung wenig belastbare Daten.
Methodik: Im qualitativen Forschungsdesign wurden die Fokusgruppen-Interviews mit einem semi-strukturierten Leitfaden durchgeführt. Es wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer (TN) aus der Allgemeinbevölkerung sowie Patientinnen und Patienten aus dem Früherkennungs- und Therapiezentrum für psychische Krisen (FETZ) der Uniklinik Köln rekrutiert. Die Stichprobenauswahl erfolgte nach dem Verfahren des theoretical sampling. Insgesamt wurden 6 Fokusgruppen durchgeführt. Die Gruppendiskussionen wurden aufgezeichnet, verbatim transkribiert und qualitätskontrolliert. Die Aspekte der Textbedeutung werden regelgeleitet durch das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring, systematisch organisiert und strukturiert analysiert.
Ergebnis: Bisher liegen Ergebnisse von 2 Fokusgruppen aus der Allgemeinbevölkerung (TN n = 11; Geschlecht m = 6, w = 5) vor. Die Altersverteilung der zwei Gruppen ist zwischen 24 und 65 Jahren (MW 43,3 [SD ± 11,3]; Median 42,0 Jahre). Die wahrgenommenen Chancen und Risiken einer systemmedizinischen Gesundheitsversorgung in der Zukunft wurden ausgewertet.
Wahrgenommene Chancen: Echtzeit Monitoring im Lebensalltag von Patienten gibt Sicherheit in Akutsituationen und im Therapieverlauf, da schnell und effektiv eingegriffen werden kann. Vorhersage des individuellen Erkrankungsrisikos des Menschen fördert die Gesundheit und Prävention von Erkrankungen. Digitale Erinnerungsfunktionen unterstützen die Adhärenz bei präventiven und therapeutischen Maßnahmen. Die Arzneimitteltherapie kann präzise auf den Patienten abgestimmt werden.
Wahrgenommene Risiken: Die Technologie dominiert und überfordert den Menschen. Es wird befürchtet, dass die Technik den Arzt ersetzt. Unsicherheit und Angst entstehen durch Big Data in der Medizin hinsichtlich des Datenschutzes, der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung. Die TN empfinden die Kontrolle und Steuerung im Gesundheitssystem als Verlust der Selbstbestimmung. Es bestehen bedenken, dass das Solidarprinzip eingeschränkt wird.
Ausblick: Die vollständigen Ergebnisse aus dem Fokusgruppen-Interview liegen Mitte 2016 vor.