Gesundheitswesen 2016; 78 - A26
DOI: 10.1055/s-0036-1586536

Multiprofessionelle Primärversorgung – eine vergleichende Analyse multiprofessioneller Teamarbeit in slowenischen und spanischen Gesundheitszentren

K Hämel 1, C Vössing 1
  • 1Universität Bielefeld, Bielefeld

Hintergrund: International haben Gesundheitszentren eine wichtige Bedeutung für die Bereitstellung einer umfassenden Primärversorgung. Die Zentren vereinen verschiedene Angebote und Gesundheitsprofessionen der Primärversorgung (Ärzte, Pflegende, Physio-/Ergotherapeuten, Sozialarbeiter, etc.) unter einem Dach. In vielen Ländern wurde der Aufbau multiprofessioneller Teams forciert, um eine kooperative Leistungserstellung im Gesundheitszentrum voranzutreiben und die Versorgung auf komplexe gesundheitliche Problemlagen, wie chronische Krankheit, Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit auszurichten. Auch in Deutschland werden zunehmend ‚Gesundheitszentren' gegründet, allerdings stehen diese noch mehrheitlich ohne Bezug zu internationalen Diskussionen einer multiprofessionellen, teambasierten Versorgung. Die Analyse von Konzepten und Umsetzungserfahrungen in anderen Ländern kann Aufschluss über Ausgestaltungsmöglichkeiten sowie Chancen und Herausforderungen multiprofessioneller Teamarbeit in der Primärversorgung geben. Im Beitrag wird eine solche Betrachtung für zwei Länder – Slowenien und Spanien –, die unterschiedliche Konzepte etabliert haben vorgenommen.

Methodik: Die Analyse basiert auf einer Literatur- und Dokumentenauswertung zur multiprofessionellen Teamarbeit in slowenischen und spanischen Gesundheitszentren und leitfadengestützten Experteninterviews mit Wissenschaftler/inn/en und Praktiker/inn/en, die telefonisch und im Rahmen von Feldaufenthalten geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet wurden.

Ergebnisse: In den slowenischen Gesundheitszenten wurden monoprofessionelle Abteilungen etabliert, die weitgehend autonom arbeiten und die Versorgung an den Schnittstellen abstimmen. Durch Einführung von Arzt-Pflege-Tandems, und der Übertragung präventiver und edukativer Aufgaben an Pflegende, werden diese Strukturen gebrochen. Diese im Jahr 2010 begonnene Entwicklung basiert auf einem landeseinheitlichen Konzept, das genaue Aufgabenbeschreibungen für die Patientenversorgung vorgibt. Sie ist dennoch durch Unsicherheiten über Rollen und Aufgabenbereiche für die Professionen geprägt, die der Aushandlung vor Ort bedürfen. Hingegen wurden in den spanischen Gesundheitszentren multiprofessionelle Primärversorgungsteams schon in den 1980er-Jahren als grundlegendes Strukturelement der Gesundheitszentren eingeführt. Die Professionen arbeiten in ihrem Aufgabenbereich weitgehend autonom. Je komplexer der Bedarf eines Patienten ist, desto stärker greift multiprofessionelle Zusammenarbeit. Diese wird durch regelmäßige Teamtreffen gesichert, in denen Fallbesprechungen geführt, sowie Versorgungsprozesse und Organisationsfragen im Team abgestimmt werden.

Diskussion: Chancen multiprofessioneller Teamarbeit liegen im Zuwachs an Expertise und Handlungskompetenz in der Patientenversorgung. Wichtig sind einerseits klar definierte Aufgabenzuschreibungen und andererseits partnerschaftliche Aushandlungsprozesse über Arbeitsweisen im Team.

Schlussfolgerung und Praxisrelevanz: Internationale Erfahrungen in der multiprofessionellen Teamarbeit sollten auch in Deutschland berücksichtigt werden, um die Versorgung patientenorientiert weiterzuentwickeln. Die Professionalisierung der Gesundheitsberufe ist dafür eine wichtige Voraussetzung.