Gesundheitswesen 2016; 78 - A12
DOI: 10.1055/s-0036-1586522

Gesundheitsförderliche Lebenswelt Arbeitsplatz – auch für Arbeitnehmer_innen mit chronischer Erkrankung? Ergebnisse einer Strategieevaluation zur Konzeption einer Entscheidungshilfe zur Offenbarung einer chronischen Erkrankung im Arbeitsleben

S Groth 1, M Niehaus 1, J Bauer 1
  • 1Universität zu Köln, Köln

Hintergrund: Im Kontext demographischer Entwicklungen wird Arbeiten mit chronischer Erkrankung immer mehr zum Regelfall. An den meisten Arbeitsplätzen sind die Anforderungen der Lebenswelt Arbeit und die Anforderungen einer chronischen Erkrankung dauerhaft nicht reibungsfrei vereinbar. So stehen Arbeitnehmer_innen mit chronischer Erkrankung im Laufe ihres Berufslebens irgendwann vor dem Entscheidungsdilemma ob, wie und gegenüber wem sie ihre Erkrankung offenbaren. Dabei steht die Hoffnung auf Erhalt oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, Befürchtungen bezüglich Stigmatisierung, Vorurteilen oder Verlust des Arbeitsplatzes gegenüber.

Die Ausübung ihrer Tätigkeit kann für Betroffene besonders wichtig sein, denn sie trägt u.a. zur Stärkung des Selbstbewusstseins, zur finanziellen Absicherung und zur sozialen Integration bei. Dementsprechend ist der Erhalt der Tätigkeit bedeutend und die Entscheidung für oder gegen ein „Coming out“ komplex. Ein willkommener „Berater“ ist hier das Internet, da es anonym und niedrigschwellig Informationen bereitstellt. Doch die Zuverlässigkeit und Seriosität dieser Informationen ist nicht gesichert.

Ziel: Ziel des vorliegenden Projektes ist die Eruierung der Relevanz und Akzeptanz eines wissenschaftlich fundierten und zielgruppenorientierten Onlineportals, das anonym zu spezifischen Aspekten der Offenbarung am Arbeitsplatz Informationen sowie Reflexionshilfen (Decision Aid) zur Verfügung stellt und die Auseinandersetzung mit der Thematik unterstützt.

Methodik: Im Sinne einer Strategieevaluation soll im Vorfeld der Implementation analysiert werden, ob in der Konzeptionsphase relevante Inhalte definiert, die Zielgruppe richtig gewählt und die Entscheidungshilfe auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt wurden. Hier wurde ein mehrstufiges Vorgehen gewählt, bei dem sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung (theoretische und empirische Befunde) und Expertenbefragungen zur Nützlichkeit, Akzeptanz und Praktikabilität einer Entscheidungshilfe abwechseln. Als Experten dienten wichtige Stakeholder (z.B. Werks-/Betriebsarzt, SBV, Selbsthilfe, Arbeitgeber, Betriebs-/Personalrat, BEM-Beauftragter, betroffene Person).

Ergebnisse und Ausblick: Experteninterviews ergaben, dass eine Entscheidungshilfe zu der Thematik als sinnvoll und nützlich angesehen wird und dass Datenschutz sowie eine strategische Verortung und Bekanntmachung der Entscheidungshilfe erfolgskritische Faktoren sind. Die Entscheidungshilfe zur Offenbarung chronischer Erkrankungen am Arbeitsplatz soll krankheitsübergreifend und ergebnisoffen den Entscheidungsprozess moderieren und eine selbstbestimmte, informierte Entscheidung unterstützen. Sie soll die individuelle Beratung durch z.B. Selbsthilfeorganisationen keinesfalls ersetzen, sondern richtet sich an eine Zielgruppe, die (noch) nicht bereit ist für persönliche Beratung. Nächste Schritte zur Implementation werden vorgestellt.