Zeitschrift für Phytotherapie 2016; 37 - V36
DOI: 10.1055/s-0036-1584461

Phytopharmaka als Mehrstoffgemische: HMPC-Dokumente als Beitrag zu einem rationalen Umgang mit toxikologischen Fragen?

O Kelber 1, H Sievers 2
  • 1Innovation and Development, Bayer Consumer Health, Phytomedicines Supply and Development Center, Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, Darmstadt, Deutschland
  • 2Phytolab GmbH & Co. KG, Vestenbergsgreuth, Deutschland

Phytopharmaka scheinen als Mehrstoffgemische immer wieder toxikologische Fragen aufzuwerfen, die dem Bereich der chemisch definierten Wirkstoffe fremd sind. Dort hat man einen einzigen Wirkstoff zu charakterisieren, hier eine Vielzahl von Inhaltsstoffen in oft sehr geringen Konzentrationen, von denen man viele zudem gar nicht kennt. Die Inhaltsstoffgruppen, die in pflanzlichen Arzneimitteln toxikologisch besonders relevant sein könnten, sind zahlenmäßig jedoch relativ überschaubar und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der wissenschaftlichen Literatur wie auch in Lehrbüchern umfassend beschrieben worden.

Es stellt sich nun die Frage, wie sich diese Stoffgruppen in den zahlreichen regulatorischen Dokumenten mit toxikologischen Bewertungen darstellen, die das HMPC, als das für pflanzliche Arzneimittel zuständige Gremium der europäischen Zulassungsbehörde EMA, in den nunmehr über 10 Jahren seiner Tätigkeit bereitgestellt hat. Eine Bestandsaufnahme dieser über die Homepage der EMA (www.ema.europa.eu) zugänglichen Dokumente ergibt mindestens 9 public statements oder reflection papers zu bestimmten Inhaltsstoffen oder Inhaltsstoffgruppen und 9 zu bestimmten Pflanzen oder Zubereitungen, in denen diese toxikologisch bewertet und zum Teil auch Grenzwerte festgelegt wurden. Dies schafft eine gemeinsame Orientierung für Antragsteller und Behörden. Zum Teil werden diese Bewertungen aus wissenschaftlicher Sicht allerdings auch kritisch betrachtet. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das public statement zu Pyrrolizidinalkaloiden (PA), u.a. wegen der Verwendung des von der EFSA im Hinblick auf eine lebenslang tägliche Exposition beschriebenen hochkonservativen Signalwertes als Grenzwert für Phytopharmaka, wegen des Bezugs auf eine von der JECFA, einem Gremium der WHO, als ungeeignet angesehene toxikologische Studie und wegen des breiten Spektrums im Grenzwert miterfasster unterschiedlicher PAs.

Zusammenfassend lässt sich jedoch feststellen, dass hier Dokumente bereitstehen, die, auch wenn eine kritische Hinterfragung sinnvoll sein kann, die rationale Bewertung potenziell bedenklicher Inhaltsstoffe von Phytopharmaka insbesondere bei Zulassungsverfahren erleichtern können.