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DOI: 10.1055/s-0036-1578882
Die Begutachtung der „Reisefähigkeit“ bei psychischen Störungen
Macht ein Asylbewerber nach Ablehnung seines Asylantrags eine Erkrankung als inlandsbezogenes Abschiebehindernis geltend, kann die örtliche Ausländerbehörde eine „Reisefähigkeitsbegutachtung“ in Auftrag geben. Diese Fragestellung führte wiederholt zu Konflikten zwischen Ärzteschaft und Politik, da eine Reduktion der „Reisefähigkeit“ auf die reine „Transportfähigkeit“, insbesondere bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung, nicht mit dem ärztlichen Berufsethos vereinbar ist. Bewährt hat sich der Begriff der „erweiterten Reisefähigkeit“, der den Beurteilungszeitraum für das mögliche Auftreten einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes in Zusammenhang mit der Rückführung ausdehnt. Die konkrete Begutachtungssituation wird von kulturspezifischen Verhaltensweisen des Probanden sowie durch die meist notwendige Hinzuziehung eines Dolmetschers beeinflusst. Darüber hinaus sind krankheitsimmanente Besonderheiten psychoreaktiver Traumastörungen zu berücksichtigen, wie beispielsweise Einschränkungen der Erinnerungs- und Aussagefähigkeit. Entsprechende Kenntnisse, z.B. in der Anwendung der „Standards zur Begutachtung psychotraumatisierter Menschen“, sind empfehlenswert. Darüber hinaus ist der Gutachter aufgerufen, sich stets sowohl des politischen Spannungsfeldes einer solchen Fragestellung als auch seiner persönlichen Verpflichtung gegenüber der ärztlichen Berufsordnung bewusst zu sein.