ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2016; 125(01/02): 41
DOI: 10.1055/s-0035-1569434
Gasteditorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dentale Materialien im Fokus

Further Information

Publication History

Publication Date:
23 February 2016 (online)

Wir erinnern uns kurz zurück an unsere Studienzeit, als die zahnmedizinische Werkstoffkunde in der Vorklinik zum notwendigen Übel eines jeden Studierenden zählte. So manchem erschloss sich der Sinn der detaillierten Kenntnis des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms erst nach dreimaligem Hinterfragen. Die Besonderheiten im Umgang mit Gipsen und Wachsen, deren spezifischer Chemismus und die daraus resultierenden Eigenschaften, zählten zu den oftmals spannendsten Themen der dentalen Werkstoffkunde. Sicherlich steht in der einen oder anderen Praxis heute noch das Standardwerk „Zahnärztliche Werkstoffe und ihre Verarbeitung“ von Karl Eichner, aus dem die meisten zahnmedizinischen Studierenden ihre Lektionen über viele Jahre hinweg gelernt haben.

Unbestritten der Tatsache, dass dieses Wissen auch heute noch Basis für ein grundlegendes Verständnis für dentale Materialien und Prozessabläufen in der zahnärztlichen Praxis ist, hat sich im Laufe der Zeit doch einiges an Inhalten geändert. So verschwinden heute viele, z.B. traditionell zahntechnisch verankerte Themen aus dem Fokus von Forschung und Lehre und werden zunehmend abgelöst von modernen Materialien und chairside Prozessen. Schlüsseltechnologien, wie die adhäsive Befestigung (Universaladhäsive), die (Licht-)Polymerisation, CAD/CAM-Fertigungsverfahren und auch zunehmend optische Technologien in der Abformung ermöglichten den enormen Fortschritt und den breiten Einsatz von innovativen Materialien (PEEK, Hybridwerkstoffen, zirkonverstärktem Lithiumsilikat, Bulk-fill Komposite, Zirkonoxid, etc.) und Prozessen. Durch ihre Kombinationen entstehen neue zahnmedizinische und zahntechnische Verfahrensabläufe und damit beinahe unerschöpfliche Möglichkeiten und Materialkombinationen, z.B. im Bereich der individualisierten Implantatversorgung. Somit kann in der Folge auch die gute Basis für bisherigen langfristigen klinischen Erfolg, die langjährige hohe Qualität zahnmedizinischer und zahntechnischer Versorgungen leiden. Wir denken, dass das aktuelle Wissen und die Erfahrung aller Beteiligten (Zahnarzt, Zahntechniker, Forschung, Industrie) nicht hoch genug einzuschätzen sind. Die Abläufe werden zukünftig noch komplexer und die Vielfalt der Werkstoffe wird weiter zunehmen. Einige Materialien und Verfahren werden vermutlich Eintagsfliegen bleiben - die Industrie könnte sich hier zur Aufgabe machen auf mehr Nachhaltigkeit, Transparenz und Kontinuität zu setzten.

Die dentale Materialwissenschaft trägt dieser Entwicklung Rechnung und präsentiert sich heute deutlich angewandter und zeitgemäßer als wir dies noch von unseren Studienzeiten her kennen. Insgesamt gewinnen das materialspezifische Fachwissen, die koordinierte und enge Zusammenarbeit sowie der persönliche Austausch zwischen allen Beteiligten weiter an Bedeutung. Aus der Kenntnis der eingesetzten Materialien, deren praxisgerechter Verarbeitung sowie den damit verbundenen Einsatzmöglichkeiten und Einschränkungen entstehen viele neue Möglichkeiten und Vorteile. Die enorme Materialvielfalt und die damit verbundene Komplexität der Verfahrensabläufe werden dadurch auch zum anwendungstechnischen Vorteil. Mit dem stetigen Erkenntnisgewinn können allerdings umfangreiche Fachbücher nur begrenzt zeitlich schritthalten: on-line Bücher und aktuelle fundierte Beiträge in Journalen werden daher einen hohem Stellenwert erhalten. Aus diesem Grund erscheint in der ZWR eine neue Fortbildungsreihe mit dem Titel „Dentalmaterialien-Spezial“ - verfasst von zahnmedizinisch spezialisierten Materialwissenschaftlern und mit neuesten Erkenntnissen angewandt aufbereitet für Sie - die praktizierende und interessierte Zahnärzteschaft. Aktuelle Themen werden darin von wissenschaftlicher Seite dargestellt, international anerkannte Forschungsergebnisse präsentiert und diskutiert, sowie der praktische Nutzen für den Anwender zusammengefasst.

Viel Spaß beim Studium!

Ihre Nicoleta Ilie, Ulrich Lohbauer und Martin Rosentritt