Zeitschrift für Phytotherapie 2015; 36 - V13
DOI: 10.1055/s-0035-1565941

Alkohol in pflanzlichen Arzneimitteln – vom gefühlten Gefahrstoff zum rationalen Hilfsstoff

K Nieber 1, 2
  • 1Institut für Pharmazie, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • 2Kooperation Phytopharmaka, Bonn, Deutschland

Immer wieder sind Eltern verunsichert, da in pflanzlichen Arzneimitteln oft Alkohol enthalten ist. Es stellt sich die Frage, ob sie dennoch auch für Kinder unbedenklich sind. Dass manche pflanzliche Arzneimittel bei der Herstellung mit Alkohol angereichert werden, ist unerlässlich. So dient Ethanol dazu, einzelne wirksame Pflanzenstoffe zu lösen und so die Basis des pflanzlichen Arzneimittels zu gewinnen. Alkohol als Hilfsstoff kann ganz praktische Effekte bei der Einnahme mit sich bringen, weil er dazu beiträgt, dass bestimmte Wirkstoffe schneller von der Magen- und Dünndarmschleimhaut ins Blut übergehen. Nicht zuletzt wird Alkohol auch als Konservierungsstoff benutzt. Damit ist er maßgeblich dafür verantwortlich, dass pflanzliche Präparate stabilisiert werden und sie sich länger aufbewahren und wieder verwenden lassen. Es kann auf künstliche Konservierungsmittel verzichtet werden.

Tatsächlich werden mit Phytopharmaka sehr geringe maximale Blutalkoholkonzentrationen erreicht, etwa 0,008 Promille bei Einnahme eines Phytopharmakons mit 12% Alkohol oder 0,015 Promille durch die Einnahme eines Phytopharmakons mit 30% Alkohol. Diese geringen Alkoholmengen können Kinder sehr schnell verstoffwechseln. Zudem nehmen sowohl Erwachsene als auch Kinder im Alltag durch die Nahrung unwissentlich Alkohol zu sich, wenn sie Brot essen oder Apfelsaft trinken. Allein ein Glas Apfelsaft enthält etwa 0,4% Alkohol. Da bei diesen Lebensmitteln die aufgenommenen Alkoholmengen bedeutend größer sind, besteht aus pharmakokinetischer, pharmakodynamischer und toxikologischer Sicht bei vorschriftsgemäßer Anwendung von Phytopharmaka mit Alkohol für Kinder keine Gefahr. Eine zufällige Intoxikation durch das Trinken einer größeren Menge eines alkoholhaltigen pflanzlichen Arzneimittels scheint sehr unwahrscheinlich wegen der Verwendung von kindersicheren Verschlüssen und Tropfverschlüssen. Insgesamt ist also eine Umstellung pflanzlicher Arzneimittel auf alkoholfreie Zubereitungen nicht erforderlich oder sinnvoll.

[1] Hoser S, Fronz U. PZ Prisma 2011; 18: 220 – 226

[2] Kelber O et al. Pharm Ind 2008; 70: 1124 – 1127

[3] Kelber O et al. Poster, Symposium 40 Jahre GPT, Köln, 21.10.2011