Der Klinikarzt 2015; 44(07/08): 333
DOI: 10.1055/s-0035-1564275
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Was gibt es Neues beim Schlaganfall?

Matthias Endres
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. August 2015 (online)

Der Schlaganfall ist weiterhin eine der führenden Todesursachen in Deutschland und der häufigste Grund für eine Behinderung im Erwachsenenalter. Erfreulicherweise zeigen die Anstrengungen der letzten Jahrzehnte in der Prävention ihre Wirkung: die altersbezogene Inzidenz des Schlaganfalls ist mittlerweile zurückgegangen. Allerdings ist aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung weiterhin mit einer Zunahme der Schlaganfallhäufigkeit zu rechnen, zudem führt das verbesserte Akutmanagement dazu, dass mehr Patienten mit Schlaganfällen überleben. In dieser Ausgabe des klinikarzt stehen also Neuerungen in der Behandlung und Prävention der Volkskrankheit Schlaganfall im Zentrum.

Etablierte Akuttherapien stellen die Behandlung auf einer (möglichst zertifizierten) Stroke Unit, die intravenöse Thrombolyse, die frühe Gabe von ASS sowie in ausgewählten Fällen die Hemikraniektomie sogenannter „maligner“ Mediainfarkte dar. Während Ansätze neuroprotektiver Therapien leider erfolglos geblieben sind, hat die Verbesserung der rekanalisierenden Therapie nun einen großen Durchbruch erlebt: Gleich 4 positive Studien wurden auf der International Stroke Conference im Februar vorgestellt und mit Standing Ovations bedacht: MR CLEAN, ESCAPE, EXTEND, SWIFT PRIME (siehe auch diesbezügliche Publikationen im N Engl J Med). Unisono konnten diese Studien überzeugend nachweisen, dass Patienten mit schweren Defiziten und Verschlüssen von großen intrakraniellen Gefäßen von der endovaskulären Therapie zusätzlich zur i. v. Thrombolyse profitieren und somit eine weitere evidenzbasierte Behandlung des Schlaganfalls darstellt. Dies gibt auch dem neu etablierten Konzept neurovaskulärer Netzwerke der Deutschen Schlaganfallgesellschaft Auftrieb, diese Therapie zukünftig möglichst vielen Patienten anbieten zu können. Im Artikel von Herrn Prof. Audebert wird auf diese Therapien im Detail eingegangen.

Ein weiterer hochaktueller Ansatz ist die Verbesserung der prähospitalen Versorgung von Schlaganfallpatienten: So wurde in Berlin das sogenannte STEMO (Stroke Einsatz Mobil) durch ein gemeinsames Projekt der Charité und der Berliner Feuerwehr etabliert. In der Phantom-S-Studie, die unlängst im JAMA publiziert wurde, zeigte sich, dass mittels STEMO die Lysequote im Vergleich zur Regelversorgung in Berlin von 21 auf 33 % gesteigert werden konnte sowie der Behandlungsbeginn um fast 30 min verkürzt werden konnte. Zukünftig könnten solche spezialisierten präklinischen Versorgungsmodelle auch die Möglichkeit bieten, innovative Schlaganfalltherapien in den ersten 60 min nach Schlaganfallbeginn (in der sogenannten „goldenen Stunde“) zu testen. Dieses wird von Herrn PD Dr. Ebinger referiert.

Auch in der Prävention hat sich viel getan. Etablierte Therapien stellen seit vielen Jahren die Gabe von Plättchenhemmern, Statinen und Blutdruckmedikamenten dar. Patienten mit kardialen Embolien, insbesondere mit Vorhofflimmern, benötigen eine Antikoagulation und solche mit symptomatischen hochgradigen Carotisstenosen sollten zeitnah operiert werden. Viel hat sich in den letzten Jahren beim Vorhofflimmern getan: zum einen wurden die Risikoscores überarbeitet, weiterhin steht seit der Zulassung der sogenannten direkten oralen Antikoagulantien eine Therapiealternative zu den etablierten Vitamin-K-Hemmern zur Verfügung. Besonders intensiv wird in der Schlaganfallneurologie nun die Frage beforscht, wie intensiv (wie lange, mit welcher Technik) bei Schlaganfallpatienten mit unbekannter Schlaganfallursache („kryptogene“ Hirninfarkte) nach einem Vorhofflimmern gefahndet werden soll. Während auf der einen Seite Konzepte mit systematischer Versorgung mit Loop-Recordern stehen, steht am anderen Ende das Konzept, Patienten mit embolischen Hirninfarkten unklarer Ursache – („ESUS“ = „embolic stroke of unknown significance“) – innerhalb von Studien nun zu antikoagulieren. Insbesondere auf die Neuerungen zur Prävention beim Vorhofflimmern geht Herr PD Dr. Häusler in seinem Artikel ein.

Was wird die Zukunft der Schlaganfallforschung bringen? Am Centrum für Schlaganfallforschung Berlin setzen wir auf die folgenden Konzepte:

1) Gehirn schützen: wenngleich bislang ein Neuroprotektivum (noch) nicht zur Verfügung steht, sollte weiterhin alles versucht werden, neben rekanalisierenden Maßnahmen auch Therapien zu entwickeln, die den akuten Gewebsuntergang nach dem Schlaganfall verhindern.

2) Komplikationen verhindern: Nach dem Erfolg durch die Etablierung der Stroke Units besteht ein großes Potenzial in der systematischen Verhinderung bzw. Behandlung von schlaganfalltypischen Komplikationen: dies reicht von der Vermeidung von Hirnschwellung, symptomatischen Anfällen, über medizinische Komplikationen wie Infektionen und Thrombosen bis hin zu langfristigen Folgen wie der Post-Schlaganfall-Depression oder Demenz. Der Beitrag von Herrn Prof. Meisel widmet sich insbesondere den Infektionen und weiteren Komplikationen.

3) Funktion wiederherstellen: große Hoffnungen bestehen weiterhin, durch innovative therapeutische Ansätze die Erholung auch in der chronischen Phase nach dem Schlaganfall zu verbessern. Dies betrifft sowohl „echte“ regenerative Therapien wie auch Ansätze in der Rehabilitation und Verbesserung der Plastizität.

In der Hoffnung auf eine anregende Lektüre und interessante Fortbildung verbleibe ich mit besten kollegialen Grüßen.