Gesundheitswesen 2015; 77 - A355
DOI: 10.1055/s-0035-1563311

Krankheitsvorstellungen und Behandlungserwartungen deutscher und türkischer Brustkrebspatientinnen

L Spallek 1, Y Yilmaz-Aslan 1, F Klein-Ellinghaus 2, Y Gök 1, H Zeeb 2, P Kolip 1, J Spallek 1
  • 1Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld
  • 2BIPS -Bremer Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung

Hintergrund: Eine medizinische Behandlung – insbesondere bei chronischen Erkrankungen wie Brustkrebs – setzt eine Zusammenarbeit zwischen Arzt/Ärztin und Patient/in voraus. Kenntnisse über Krankheitskonzepte und subjektive Erwartungen der Patienten/innen an die Behandlung helfen behandelnden Ärzten/innen, sich auf ihre Patienten/innen einzustellen, insbesondere wenn kulturelle Unterschiede bestehen. Ziel dieser Studie war die Erfassung und Analyse von Krankheitskonzepten von Brustkrebs sowie Erwartungen an die Behandlung von Brustkrebspatientinnen ohne und mit türkischem Migrationshintergrund. Methodik: In dieser qualitativen Studie wurden 35 Brustkrebspatientinnen, davon 17 deutsch und 18 türkischstämmig, in Einzelinterviews mittels teilstrukturiertem Leitfaden befragt. Themenfelder waren Krankheitsvorstellungen und Behandlungserwartungen. Die Auswertung erfolgte mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2010) unter der Nutzung der Auswertungssoftware MAXQDA. Ergebnisse: Deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen Frauen ohne und mit türkischem Migrationshintergrund in den Bereichen Krankheitsverständnis, -wissen und -bewältigung. Während das Krankheitsverständnis von türkischstämmigen Frauen von einer ganzheitlichen Denkweise geprägt ist, steht für deutsche Frauen die körperliche Eingeschränktheit im Vordergrund. Deutsche Frauen fühlen sich insgesamt gut informiert. Das Krankheitswissen türkischstämmiger Frauen bleibt dagegen oberflächlich. In Bezug auf die Krankheitsbewältigung ist bei allen Frauen v.a. Akzeptanz der Erkrankung das Ziel. Die Bewältigungsstrategien unterscheiden sich: Die türkischstämmigen Frauen nennen u.a. Spiritualität und Verdrängen. Deutsche Frauen nutzen aktive Strategien, wie z.B. ein bewusstes Zeitnehmen für Stressabbau. Die befragten Frauen beider Gruppen waren größtenteils zufrieden mit ihrer Behandlung. Wichtige Aspekte sind Information, Ernstgenommen werden und eine gute Beziehung zu den Behandelnden. Die Bewertungsmaßstäbe unterscheiden sich allerdings zwischen Frauen mit und ohne türkischen Migrationshintergrund. Türkischstämmige Frauen äußerten zudem den Wunsch nach Berücksichtigung ihrer Kultur und Sprache. Diskussion: Die qualitativen Ergebnisse zeigen deutliche Unterscheide zwischen deutschen und türkischstämmigen Brustkrebspatientinnen in Bezug auf Krankheitsvorstellungen und Behandlungserwartungen. Türkischstämmige Patientinnen haben einen höheren Informations- und Betreuungsbedarf, v.a. im Hinblick auf das Krankheitswissen und sprachliche und kulturelle Barrieren im Behandlungsverlauf. Weitere Studien sind notwendig, um die gefundenen Unterschiede zu quantifizieren.

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