Gesundheitswesen 2015; 77 - A236
DOI: 10.1055/s-0035-1563192

Aktuelles zu HIV und AIDS

U Seybold 1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Campus Innenstadt, Klinikum der UniversitätLudwig-Maximilians-Universität München, München

Die antiretrovirale Kombinationstherapie (cART) ermöglicht HIV-Infizierten inzwischen eine praktisch normale Lebensqualität und -erwartung. AIDS-definierende Erkrankungen treten fast nur noch bei Personen auf, deren HIV-Infektion unbekannt oder zumindest nicht behandelt ist. Daher haben eine möglichst frühzeitige (gesicherte) Diagnose und die rechtzeitige Behandlung allerhöchsten Stellenwert. Dies gilt umso mehr, als eine sehr frühe Therapie möglicherweise eine Dysregulation und auch Überaktivierung des Immunsystems verhindern kann. Die aus dieser Dysregulation resultierende Immunaktivierung stellt auch eine Ursache für die immer mehr in den Vordergrund tretenden non-AIDS Komplikationen dar, darunter v.a. cardiovaskuläre und maligne Erkrankungen. Neben einer Verschiebung des Fokus in der Behandlung HIV-Infizierter hat die praktisch immer erreichbare virologische Kontrolle auch zu einem Paradigmenwechsel bezüglich der HIV-Prophylaxe geführt. Aktuelle Empfehlungen der Postexpositionsprophylaxe (PEP) sowie das noch vor kurzem als undenkbar geltende Konzept von Treatment as Prevention sind hier deutliche Anzeichen. In der aktuellen Diskussion erhält auch das Thema Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) einen immer größeren Stellenwert. Immer mehr Daten zur epidemiologischen Effektivität stehen hier Argumenten wie individuelle Sicherheit, Kosten und psychologische Effekte gegenüber. Letztere betreffen allerdings möglicherweise weniger die Benutzer von PrEP als andere Diskussionbeteiligte. Trotz dieser dramatischen Entwicklungen reflektiert sowohl das Selbstbild von Patienten mit HIV-Infektion als auch die subjektiv empfundene Gefährdung ihrer Behandler oft noch die Unsicherheit vergangener Jahrzehnte. Die vielfach anzutreffende vorurteils- und angstbasierte Routine im Umgang mit HIV muss durch eine evidenzbasierte Diskussion abgelöst werden.