Gesundheitswesen 2015; 77 - A216
DOI: 10.1055/s-0035-1563172

Erfahrungen von Schwangeren mit dem neu eingeführten Screening auf Gestationsdiabetes mellitus. Ergebnisse einer qualitativen Studie

T Görig 1, C Bock 1, S Schneider 1, H Kleinwechter 2, H Maul 3, K Diehl 1
  • 1Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Universität Heidelberg, Mannheim
  • 2diabetologikum kiel, Kiel
  • 3Abteilung für Geburtshilfe, Perinatalmedizin und Pränataldiagnostik, Marienkrankenhaus, Hamburg

Hintergrund: Angesichts der steigenden Prävalenz von Gestationsdiabetes mellitus (GDM) in Deutschland wurde 2012 ein Screening auf GDM in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen. Das Screening soll als zweizeitiges Verfahren durchgeführt werden: Jeder Schwangeren soll zunächst zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche ein Suchtest mit 50 g Glukose (sog. Glucose Challenge Test, GCT) angeboten werden. Bei auffälligem Ergebnis soll daraufhin ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Glukose durchgeführt werden. In der vorliegenden Studie wurden die Erfahrungen der Schwangeren mit dem GDM-Screening untersucht. Methoden: Zwanzig Frauen ab der 29. Schwangerschaftswoche, d.h. solche, bei denen gemäß Mutterschaftsrichtlinien das Screening bereits durchgeführt worden sein sollte, wurden in leitfadengestützten telefonischen Interviews befragt. Die Interviews wurden aufgezeichnet, wörtlich transkribiert und mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring von zwei unabhängigen Gutachtern ausgewertet. Ergebnisse: Bei der Durchführung des Screenings wurden in einigen Interviews Abweichungen von dem festgeschriebenen Vorgehen berichtet, z.B.: eine kapillare statt einer venösen Blutabnahme für den oGTT; direkte Durchführung des oGTT ohne vorangeschalteten GCT; Messung der Nüchtern-Blutglukose beim GCT. Auch berichteten zwei Frauen, dass sie selbst aktiv nach dem Screening fragen mussten, z.B.: „Ich hatte das Gefühl, dem Test hinterherzulaufen und meinen Arzt daran zu erinnern. [...] Mein Arzt hat mich gar nicht darauf angesprochen“ (S18). Bei beiden Frauen wurde ein oGTT durchgeführt, dessen Kosten sie selbst tragen mussten. Bei einer Schwangeren wurde der Test nicht durchgeführt, weil ihr Gynäkologe es als nicht erforderlich ansah: „Mein Arzt hatte gemeint, brauchst du nicht, das Kind ist laut Angaben normal. [...] Ich habe ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zu meinem Gynäkologen und habe den Test gar nicht durchführen lassen“ (S11). Diskussion: Diese qualitative Studie bietet einen ersten Einblick in die Durchführung des GDM-Screenings in der gynäkologischen Praxis aus der Perspektive der Schwangeren und zeigt bedeutsame Unregelmäßigkeiten auf. Sie liefert zudem wertvolle Erkenntnisse für die Durchführung weiterer repräsentativer Untersuchungen in diesem Bereich.