Gesundheitswesen 2015; 77 - A123
DOI: 10.1055/s-0035-1563079

Esssetting Familie – Warum soziokulturelle Faktoren in ernährungsbezogenen Maßnahmen verstärkt berücksichtigt werden müssen

K Marx 1
  • 1Universität Gießen, Weimar

Hintergrund: Während die Notwendigkeit für Angebote der Gesundheitsförderung und Primärprävention in Kita und Schule angekommen ist, gibt es bisher kaum Angebote die junge Eltern im Setting Familie umfassend unterstützen. Doch spätestens mit der Geburt sind Eltern aktiv gefragt, die Verantwortung für die Ernährung ihres Kindes zu übernehmen. In der Familie findet die primäre Ernährungssozialisation statt und Essverhaltensweisen, die hier erlernt werden, bleiben bis ins Erwachsenenalter bestehen. Es stellt sich die Frage, welche Angebote besonders für Familien in benachteiligten Lebenslagen hierfür nötig sind. Methode: Im Raum Weimar und Erfurt wurden sechs Familienhebammen zur Ausgestaltung des Esssettings von Familien mit Säuglingen in benachteiligten Lebenslagen befragt. Das Kontextwissen der Familienhebammen als Experten wurde erfasst und inhaltsanalytisch ausgewertet. Ergebnisse: Aus den Interviews wurde deutlich, dass die von Eltern bereitgestellten Essumgebungen und darin enthaltene Ernährungspraktiken der Eltern bezüglich der Kinder ungünstig ausgeprägt sind. So wird der klassische Esstisch in vielen Familien vom Couchtisch ersetzt, sowie der Kinderhochstuhl von der Babyschale. Eltern stellen ihren Kindern die Essumgebung bereit, die sie selbst kennengelernt haben und ihnen ist dabei nicht bewusst, dass Essen und Geschmack erlernt werden müssen. Auch fällt es Eltern schwer, die rasanten Entwicklungsschritte ihrer Kinder einzuschätzen und angemessene Erziehungsmethoden anzuwenden. Lebensmittel werden dadurch vielfältig in der Erziehung eingesetzt. Als Hauptproblem sehen die Experten, dass sich Eltern schwer motivieren lassen, denn aus Sicht der Eltern gibt es keinen Anlass sich mit Ernährung auseinanderzusetzen. Wichtig ist, dass es dem Kind schmeckt – der langfristige „Mehrwert“ einer gesunden Ernährung wird nicht gesehen. Diskussion: Die Ergebnisse verdeutlichen, dass konkrete und kleinteilige Unterstützung in jungen Familien in benachteiligten Lebenslagen notwendig ist. Die alleinige Vermittlung von Empfehlungen ist nicht geeignet, Verhaltensänderungen anzuregen. Um an den Lebenslagen anzusetzen, sollten neben dem Nahrungsmittelverzehr auch die Art und Weise der Beköstigung sowie Faktoren berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar mit geplanten Mahlzeiten assoziiert sind (z.B. Erziehungspraktiken).

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