Gesundheitswesen 2015; 77 - A120
DOI: 10.1055/s-0035-1563076

Die professionelle Position der Hebammen und Kaiserschnittquote

C Färber 1, KM Käuper 1, A Ensel 1, N Reitis 1, 2
  • 1HAW Hamburg, Hamburg
  • 2University of the West of Scotland, Paisley

Hintergrund: Im Rahmen der Vergütungsverhandlungen für freiberufliche Hebammen konnten die Hebammen geringe Zuwächse durchsetzen. Kritisch waren u.a. drastisch steigende Berufshaftpflichtkosten. Die Hebammenverbände argumentieren, dass die Geburtsbegleitung durch Hebammen und die freie Wahl des Geburtsortes dadurch gefährdet sind. Immer mehr freiberufliche Hebammen stellen die Geburtsbegleitung ein, gleichzeitig steigt die Kaiserschnittquote. Bauer (2011) konnte den positiven Einfluss von 1:1-Betreuung Gebärender durch Hebammen nachweisen. In Europa, mit Ausnahme von Deutschland, wurde der Hebammenberuf durchgängig akademisiert, Schottland verband dies mit einem gezielten Programm zur Aufwertung der Hebammentätigkeit und erreichte eine drastische Senkung der Kaiserschnittquote. Ziel: Die Fallstudie untersucht den Zusammenhang zwischen der professionspolitischen Position der Hebammen und der steigenden Kaiserschnittrate in Deutschland. Methoden: Die komparatistische Politikfeldanalyse verbindet eine Fallstudie zu den Vergütungsverhandlungen mit qualitativen Interviews, Fokusgruppe und Dokumentenanalyse mit einem internationalen Vergleich. Ergebnisse: Die Studie zeigt die schwache Position der Hebammenprofession im deutschen Gesundheitswesen. Es fehlt einerseits aufseiten der Hebammenverbände an Verhandlungskraft, durch massive Öffentlichkeitsarbeit gibt es bei der Berufshaftpflichtversicherung Teilerfolge. Andererseits ist die strukturelle Positionierung der Hebammen in den Verhandlungen ungünstig durch ministerielle Vorgaben, die einkommensstärkere Berufsgruppen bevorzugen. Insgesamt haben Hebammen mit ihrem salutogenen Anspruch der Geburt als physiologischem Prozess eine zu schwache Position. Schottland dagegen konnte die Senkung der Kaiserschnittrate nur durch konsequente hebammengeleitete Geburt und verpflichtende Akademisierung und Personalentwicklung sowie ausschließliche Hebammenverantwortung im ländlichen Raum erreichen. Diskussion: Die berufliche Position von Hebammen allein erklärt nicht die hohe Kaiserschnittrate in Deutschland. Die unverhältnismäßige Vergütung von Operationen gegenüber der physiologischen Geburt ist ebenfalls zentral. Die Studie konnte die Strukturschwächen zunächst nur explorieren und Lösungsvorschläge identifizieren. Fazit: Lösungsmöglichkeiten liegen in den Vergütungsstrukturen der Geburtshilfe, neuen Kompetenzen und Strukturen, Akademisierung und Verankerung der Hebammen im öffentlichen Gesundheitsdienst.

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