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DOI: 10.1055/s-0035-1563065
Möglichkeiten und Methodik der standardisierten Befragung von Menschen mit geistiger Behinderung
Die standardisierte Befragung stellt in stationären Einrichtungen einen wichtigen Baustein für die Qualitätsevaluation dar. Im Fall von geistig behinderten Menschen in Einrichtungen wird jedoch häufig auf eine stellvertretende Befragung von Bezugspersonen zurückgegriffen, da die Aussagekraft der Angaben von Menschen mit geistiger Behinderung als gering eingeschätzt wird. Eine Reihe von Untersuchungen hält mittlerweile jedoch die standardisierte Befragungen dieser Zielgruppe für wünschenswert und möglich, sofern eine angemessene Methodik zum Einsatz kommt (vgl. z.B. Hagen 2002). Im Rahmen einer Forschungswerkstatt mit Studierenden wurden methodische Empfehlungen aus der Literatur – teilweise adaptiert – dem Praxistest unterzogen. Im Sommer 2014 wurden 38 face-to-face Interviews mit einem standardisierten Fragebogen durchgeführt. Die Untersuchung war ergänzt um eine quantitative und qualitative Einschätzung der Validität der Befragung durch die befragenden Studierenden. Zentrale Ergebnisse und Diskussion: Trotz der Umsetzung einer großen Anzahl methodischer Empfehlungen aus der Literatur wurden nur 15 der 38 Interviews als sehr valide oder valide eingeschätzt. Hinsichtlich des Erhebungsinstruments zeigten sich z.B. keine besonderen Vorteile bildlicher Elemente. Aus erhebungsökonomischen Gründen wurde auf Piktogramme anstelle von Fotos zurückgegriffen. Die hier notwendige Abstraktionsleistung erscheint für die Zielgruppe zu anspruchsvoll. Ähnliches konnte für die Verwendung von Smileys zur Illustration der Bewertungsskala festgestellt werden. Diese waren für viele Befragte nicht verständlich. Darüber hinaus wäre bei vielen Befragten ohne die Anwesenheit einer bekannten dritten Person eine Befragung prinzipiell nicht möglich gewesen, wenngleich dadurch das Befragtenverhalten beeinflusst wurde. Schlussfolgerungen: Standardisierte Befragungen von Menschen mit geistiger Behinderung sind nur bei einem vergleichsweise geringen Grad der Behinderung sinnvoll möglich. Im Gegenteil scheinen hier nur qualitative Ansätze zielführend, die ganz konkret auf die Lebenssituation der einzelnen Personen zugeschnitten sind. Diese Vorgehensweise geht jedoch mit einem erheblich größeren Aufwand einher. Standardisierte Erhebungen können dagegen im Rahmen eines Stakeholderansatzes zur Einbeziehung der Perspektiven anderer Akteursgruppen (z.B. Mitarbeiter, Betreuer, Angehörige) in das Qualitätsmanagement die Methode der Wahl sein.
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