Gesundheitswesen 2015; 77 - A13
DOI: 10.1055/s-0035-1562969

Durchführung eines Health Needs Assessment für ältere Patienten mit chronischen Erkrankungen im Integrierten Vollversorgungssystem Gesundes Kinzigtal vor dem Hintergrund der Verbesserung der Versorgung bei Multimorbidität im Alter

N Surmund 1, 2
  • 1OptiMedis AG, Hamburg
  • 2Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Hintergrund: Im Zuge des demografischen Wandels steigt der Anteil älterer Personen sowie die Prävalenz chronischer Erkrankungen und Multimorbidität in der Bevölkerung. Diese Veränderungen stellen das Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen. Die Bedürfnisse der wachsenden Gruppe älterer multimorbider Patienten rücken zukünftig vermehrt in den Fokus der Versorgungsforschung. Ziel dieser Analyse war die Ermittlung des Versorgungsbedarfs von Personen über 65 Jahren in der Integrierten Versorgung „Gesundes Kinzigtal“, welche mindestens drei chronische Erkrankungen aufweisen. Anschließend sollten Ansätze zur Optimierung bestehender Versorgungsstrukturen diskutiert werden. Methode: Für diese Untersuchung wurde ein Health Needs Assessment genutzt. Dieses bietet einen Rahmen, in welchem ein kontextspezifischer Mix methodischer Ansätze qualitativer und quantitativer Art Anwendung finden kann. Hinsichtlich der Ausgestaltung wurde sich an einem fünfstufigen Ansatz des National Institute for Health and Clinical Excellence orientiert. Es wurden eine Literaturrecherche sowie eine quantitative Analyse auf Grundlage von GKV-Routinedaten zur Bedarfsermittlung der Zielgruppe durchgeführt. Ergebnisse: Von der untersuchten Kohorte über 65-Jähriger wurden 73,56% der Versicherten als multimorbid eingestuft. Im Durchschnitt hatte jeder dieser Patienten 8,75 chronische Erkrankungen. Die höchsten Prävalenzen wiesen Hypertonie (78,2%), Lipoproteinstoffwechselstörungen (49,3%) und Rückenschmerzen (34,4%) auf. Über ein Viertel (28,0%) der multimorbiden Patienten war von einer Kombination aus Hypertonie, Rückenschmerzen und Arthrose betroffen. Insgesamt waren diese drei Erkrankungen zusammen mit der Lipoproteinstoffwechselstörung an fast allen der zehn prävalentesten Dreierkombinationen beteiligt. Zudem wiesen Multimorbide rund viermal so viele Arztkontakte bei fast doppelt so vielen Fachgruppen auf. Dieses Ergebnis zusammen mit den rund viermal so hohen Gesamtkosten pro Kopf unterstreicht den Bedarf der Stichprobe. Diskussion: Aufgrund von Fragmentierung sowie der akutmedizinischen, auf einzelne Krankheiten fokussierten Ausrichtung können derzeitige Versorgungsstrukturen den komplexen Bedürfnissen Multimorbider nicht ausreichend gerecht werden. Disease und Care Management-Programme sowie das Chronic Care Modell können bei entsprechender Modifizierung im Rahmen einer gestärkten Primärversorgung Verbesserungsansätze darstellen. Weitere regionalspezifische Forschung ist hinsichtlich einer optimalen Versorgungsplanung empfehlenswert.