Suchttherapie 2015; 16 - P_18
DOI: 10.1055/s-0035-1557712

Effekte von Szenen mit positiver und aversiver Thematik auf das Rauchverlangen bei Frauen und Männern und ihre Relevanz für Raucherbehandlungen

R Olbrich 1, P Metzner 2
  • 1Universität Mannheim, Otto-Selz-Institut, Psychologische Ambulanz
  • 2Fachklinik Haus Kraichtalblick

Einleitung: In praxi werden Raucherentwöhnungsprogramme meist mit identischen Behandlungskomponenten bei Frauen und Männern eingesetzt. Dies erscheint uns unangemessen, unter anderem dann, wenn Situationen mit aufkommendem Rauchverlangen geschlechtsspezifisch geprägt sind. Speziell zu dieser Fragestellung führten wir zwei Studien bei Rauchern mit alkoholbedingter starker Tabakabhängigkeit durch. Es sollte untersucht werden, in welchem Ausmaß Bilder mit Nikotinthematik sowie nicht-rauchassoziierte Bilder mit positiver und aversiver Thematik Rauchverlangen auslösen und ob dabei Unterschiede zwischen Frauen und Männern bestehen.

Methoden: Studienteilnehmern beiderlei Geschlechts wurde auf einem Farbmonitor Bildmaterial mit Nikotinthematik aus dem Archiv von Mucha & Pauli (nicht publiziert) präsentiert. Es handelt sich um Bilder aus dem sog. Rauchritual, die bereits in mehreren Studien eingesetzt worden sind. Des Weiteren erhielten die Teilnehmer nicht-rauchassoziierte Bilder unterschiedlichen emotionalen Inhalts (neutral, angenehm und unangenehm) aus dem International Affective Picture System (IAPS, Lang et al., 2005), das sehr häufig bei diversen Fragestellungen verwendet wird. Jedes präsentierte Bild sollte anhand von Selbsteinschätzungen für das Ausmaß des ausgelösten Rauchverlangens sowie für die beiden Dimensionen Vergnügen und Erregung („valence“ und „arousal“, Lang et al.) eingestuft werden.

Ergebnisse: In diesem Beitrag werden die Ergebnisse für nicht-rauchassoziierte Bilder zu positiven bzw. aversiv wirkenden Themen referiert. Die Resultate für das Bildmaterial mit Nikotinthematik sollen in einem parallel eingereichten Beitrag (Metzner & Olbrich) präsentiert werden. Erhebliches Rauchverlangen trat bei weiblichen Teilnehmern auf, und zwar dann, wenn die dargestellten Ereignisse aversiv gestaltet waren und eine massive innere Erregung (Arousal) auslösten, etwa in Szenen mit bedrohlichen Inhalten oder bei Bildern von Menschen mit Verletzungen. Eine Nikotinthematik war in diesen Bildern nicht präsent. Für die männlichen Raucher waren weder angenehme noch aversiv wirkende Darstellungen mit einem Aufkommen von Rauchdruck verbunden.

Diskussion: In Hinblick auf die dargestellten Befunde wollen wir im Diskussionsteil darauf eingehen, wie weit in der einschlägigen Literatur Raucherentwöhnungsprogramme vorliegen, in denen geschlechtsspezifische Behandlungskomponenten angemessen berücksichtigt sind. In Hinblick auf die Thematik unserer Studien ist für uns das Prozedere von Pericot-Valverde et al. (2014) von Interesse. Die Autoren führten zur Verringerung von situationsbezogenem Rauchverlangen eine über mehrere Sitzungen laufende Expositions-Behandlung durch, in der sie Rauchern als „Cues“ auf einem Monitor nicht Bilder, sondern sog. „interaktive virtuelle Szenarien“ präsentierten. In einer vorausgegangenen Studie hatten sie bereits Situationen (u.a. bestimmte Arbeitspausen) ermittelt, die bei Frauen anders als bei Männern erhebliches Rauchverlangen auslösten.