Suchttherapie 2015; 16 - S_46_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557676

Mit dem Joystick gegen das Suchtgedächtnis: Ergebnisse der Multicenterstudie

J Lindenmeyer 1, 2, M Rinck 3, E Becker 3, S Mühlig 2, R Wiers 4
  • 1salus klinik Lindow, Deutschland
  • 2TU Chemnitz
  • 3Radboud University Nijmegen
  • 4Universität Amsterdam

Einleitung: In vier randomisiert-kontrollierten Studien der Autoren mit hohen Fallzahlen konnte nachgewiesen werden, dass die Rückfallrate bei Alkoholabhängigen durch ein PC-gestütztes Alkohol-Vermeidungstraining (AAATT) langfristig signifikant gesenkt werden kann (Wiers et al., 2011; Eberl et al., 2013). In einer multizentrischen Phase IV-Studie wurde nunmehr die Akzeptanz des Trainings durch Behandler und Patienten sowie seine Effektivität in der Routineversorgung (effectiveness) in 10 stationären Entwöhnungseinrichtungen für Alkoholabhängige überprüft.

Methoden: Probanden: 1.400 Alkoholabhängige in stationärer Entwöhnungsbehandlung.

Die Probanden wurden zufällig auf eine Trainingsgruppe (6 Sitzungen Vermeidungs-Training à 15 Minuten mit jeweils 220 Trainingsdurchgängen) bzw. eine Kontrollgruppe ohne Training verteilt. Beim Vermeidungs-Training hatten die Probanden die Aufgabe, Bilder von alkoholischen Getränken auf dem Bildschirm mithilfe eines Joysticks wegzudrücken (Vermeidung) und nicht-alkoholische Getränke heranzuziehen (Annäherung). Zur Ermittlung der kurzfristigen und langfristigen Trainingseffekte wurden bei allen Patienten eine 3-, 6- und 12-Monatskatamnese entsprechend DGSS-4 (intention to treat) durchgeführt.

Ergebnisse: Sowohl bei Patienten als auch bei den therapeutischen Mitarbeitern der beteiligten Kliniken zeigte sich eine hohe Akzeptanz des Trainings. Hinsichtlich einiger Bewertungsvariablen gab es signifikante Unterschiede zwischen Patienten und Therapeuten sowie eine große Varianz zwischen den beteiligten Kliniken. Zu allen drei Messzeitpunkten zeigte die Trainingsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe eine um 4 – 5% höhere durchgehende Abstinenzquote bzw. Erfolgsquote (abstinent und abstinent nach Rückfall). Die meisten Unterschiede waren bei der 3- und 6-Monatskatamnese signifikant (p < 0,05). 12 Monate nach Behandlung war der Trainingseffekt tendenziell signifikant (p < 0,10).

Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch den zusätzlichen Einsatz des Joysticktrainings AAATT in der Routineversorgung von Alkoholabhängigen eine nachhaltige Verbesserung stationärer Entwöhnungsbehandlung erzielt werden kann. Auch wenn der Trainingseffekt nicht groß ist, so erscheint es angesichts des geringen Aufwandes gerechtfertigt, 20 – 25 Patienten innerhalb der stationären Entwöhnungsbehandlung dem Training zu unterziehen, um dadurch bei einem Patienten einen zusätzlichen Abstinenzerfolg zu erzielen.