Suchttherapie 2015; 16 - S_29_01
DOI: 10.1055/s-0035-1557607

Emotionale und neurobiologische Stressreagibilität bei Jugendlichen mit Internetspielstörung

M Kaess 1, L Mehl 1, E Strittmatter 2, P Parzer 1, F Resch 1
  • 1ZPM, Universitätsklinikum Heidelberg
  • 2Universitätsklinikum Münster

Einleitung: Das Phänomen der suchtartigen Entartung des Medien- und Internetkonsums ist gerade bei Jugendlichen von zunehmender Bedeutung. Die „internet gaming disorder“ (Internetspielstörung) wurde daher 2013 in die Sektion 3 des DSM-5 aufgenommen, um weitere Forschung zu stimulieren. Neue psychologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Heranwachsende mit Internetspielstörung inadäquate Stressbewältigungsstrategien anwenden. In der vorliegenden Studie wurde daher die emotionale und neurobiologische Reaktivität auf akuten Stress bei Adoleszenten mit und ohne Internetspielstörung untersucht.

Methoden: Zehn männliche Patienten mit DSM-5-Diagnose einer Internetspielstörung zwischen 15 und 25 Jahren wurden über die eigene Klinik sowie den Integrierten Versorgungsverbund für Computerspielsucht und übermäßige Mediennutzung (Rhein-Neckar-Kreis/Heidelberg) rekrutiert. Zehn alters- und bildungsgematchte gesunde Kontrollpersonen wurden zusätzlich rekrutiert. Alle Probanden wurden standardisiertem akutem Stress, induziert durch den Trierer Sozialen Stress Test (TSST), ausgesetzt. Vor und nach der Stressexposition wurden die autonome Stressantwort (Herzrate), die neuroendokrine Stressantwort (freies Speichelkortisol) sowie die subjektive Stressbeurteilung mittels visueller Analogskala (VAS) gemessen.

Ergebnisse: In Übereinstimmung mit der Hypothese zeigten Probanden mit Internetspielstörung eine signifikant stärkere emotionale Stressreaktion als gesunde Kontrollprobanden. Die neurobiologische Stressreaktion verlief im Gegensatz dazu attenuiert.

Diskussion: Bei der Internetspielstörung könnte eine starke emotionale Stressvulnerabilität, auf dem Boden einer reduzierten neurobiologischen Reagibilität der Stressantwortsysteme, eine wesentliche Rolle spielen. Die Studie bedarf aufgrund der kleinen Fallzahl einer Replikation, die auch das weibliche Geschlecht einschließen sollte. Die weitere Untersuchung von (Patho-) Mechanismen der Stressregulation sollte in der zukünftigen Forschung zum Thema eine Rolle spielen. Klinisch sollte ein Fokus der Behandlung auf der Vermittlung von Stressbewältigungsstrategien liegen.