Suchttherapie 2015; 16 - S_03_01
DOI: 10.1055/s-0035-1557507

Adaption und empirische Prüfung einer Zuweisungsleitlinie für die Weiterbehandlung nach dem qualifizierten Alkoholentzug: Studiendesign und Ergebnisse zur Machbarkeit

A Buchholz 1, B Kahl 1, D Piontek 2, A Friedrichs 1, J Röhrig 3, F Rist 4, M Berner 3, L Kraus 2
  • 1Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, UKE
  • 2IFT Institut für Therapieforschung München
  • 3Universitätsklinikum Freiburg
  • 4Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, WWU Münster

Einleitung: In den Niederlanden wurde innerhalb der letzten Jahrzehnte eine systematische Zuweisungsleitlinie entwickelt und landesweit implementiert, mit deren Hilfe Patienten mit substanzbezogenen Störungen anhand der Kriterien Anzahl vorheriger Suchtbehandlungen, Schweregrad der Abhängigkeit, Schweregrad psychiatrischer Komorbidität und soziale Integration vier Behandlungsintensitäten (sog. Levels of Care; LOC) zugewiesen werden können. Auch in Deutschland werden vergleichbare Verfahren immer wieder diskutiert, allerdings selten empirisch überprüft. In dem BMBF-geförderten Projekt MATE-LOC (Förderkennzeichen 01GY1114) wurde die niederländische Zuweisungsleitlinie zunächst für die Anwendung nach dem qualifizierten Alkoholentzug adaptiert und im zweiten Schritt empirisch geprüft. In diesem Einführungsvortrag werden Hintergrund und Methodik der Studie erläutert sowie Ergebnisse in Bezug auf die Machbarkeit der Zuweisungsleitlinie berichtet.

Methoden: Nach einer qualitativen Adaptionsphase im Jahr 2012 wurde zur empirischen Überprüfung der Zuweisungsleitlinie eine randomisierte, kontrollierte Studie in vier deutschen Kliniken durchgeführt, die eine stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung anbieten. Es erfolgten Messungen zu Beginn der Behandlung (Patientenfragebogen), nach Abklingen der körperlichen Entzugsbeschwerden (Interview mit dem Patienten), am Ende der Behandlung (Dokumentation aus der Patientenakte), sowie sechs Monate nach Ende der Behandlung (telefonische Katamnesebefragung). Patienten der Interventionsgruppe (IG) erhielten nach dem Patienteninterview ein Rückmeldegespräch mit einer Weiterbehandlungsempfehlung, die auf den Ergebnissen des Interviews nach Rücksprache mit dem Behandlungsteam basierte. Patienten der Kontrollgruppe (KG) wurden wie gewohnt behandelt und erhielten bei Interesse eine allgemeine Ergebnisrückmeldung. Begleitend wurden Klinik- und Studienmitarbeiter zur Machbarkeit des Vorgehens befragt.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 250 Patienten in die Auswertung einbezogen (nIG = 123; nKG = 127). Zur Katamnese wurden 167 Patienten erreicht (nIG = 86; nKG = 81; 66% Responsrate). Ein Großteil der Patienten war männlich (n = 168; 67,2%) und deutsch (n = 238; 95,2%). Durch die Zuweisungsleitlinie wurden die meisten Patienten (jeweils 80; 32%) den LOC 2 (Ambulante Rehabilitation) und 3 (Entwöhnung) zugeordnet, 36 Patienten (14,4%) wurden LOC1 (Ambulante Beratung) und 54 Patienten (21,6%) wurden LOC4 (Langzeitbetreuung) zugeordnet. Von den beteiligten Klinikmitarbeitern wurde das Vorgehen als machbar bewertet. Positiv wurden die höhere Standardisierung und Transparenz sowie eine höhere Patientenorientierung hervorgehoben. Viele der genannten Schwierigkeiten waren eher mit der Studiendurchführung assoziiert und betrafen z.B. den Zeitpunkt des Assessments, die insgesamt zu lange Zeitdauer der Assessments sowie auch die Koordination der Studie mit anderen klinischen Abläufen.

Diskussion: Die Studie liefert wertvolle Hinweise zu Machbarkeit und Nutzen einer systematischen Behandlungszuweisung. Von den beteiligten klinischen Mitarbeitern werden eine Verbesserung der Transparenz und Patientenorientierung hervorgehoben. Eine Folgestudie sollte die Implementierung des Vorgehens im Klinikalltag im Rahmen einer Fallkontrollstudie überprüfen.