JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2015; 04(03): 97
DOI: 10.1055/s-0035-1554074
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

Karin Jäckle
,
Katrin S. Rohde
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Publication Date:
01 June 2015 (online)

Das wird erst mal eine harte Zeit.

(Mutter einer Tochter mit Trisomie 21)

„Ich liebe meine Tochter und möchte sie nicht mehr hergeben. Was mich so traurig macht, ist das Wissen darum, dass ich mein Leben nun nicht mehr wie gewohnt weiterführen kann – mit den Leuten, mit denen ich jetzt zu tun habe –, weil sich so etwas in meinem Bekanntenkreis nicht gehört. Das wird erst einmal eine harte Zeit“, so die Mutter einer Tochter mit Trisomie 21, einen Tag nach der Geburt.

Viele Fragen treiben werdende Eltern rund um die Pränataldiagnostik um: „Was soll ich machen, wenn mir der Arzt sagt, dass mein Kind einen Verdacht auf eine Trisomie hat? Wie soll ich damit leben, über das Leben meines Kindes entscheiden zu müssen?“ Sie erleben eine Überforderung in dem Wissen um das Dilemma, dass jede Entscheidung mit einem großen Verlust einhergehen kann. Bei einem Verdacht auf eine chromosomale Erkrankung müssen sie häufig über Tod oder Leben entscheiden. Ein Problem dabei ist das der statistischen Wahrscheinlichkeit der Pränataldiagnostik: So manche Frau mit wochen- oder monatelangen Ängsten in der Schwangerschaft bekommt zu ihrem allergrößten Glück doch ein gesundes Kind. Und andere Frauen erfahren erst bei der Geburt davon, dass ihr Kind körperliche Auffälligkeiten zeigt, die weitere Diagnostik erforderlich machen. Und dann entwickeln sich Kinder mit chromosomalen Erkrankungen höchst unterschiedlich – mitunter abhängig von den Begleiterkrankungen.

Wie das oben genannte Zitat eindrücklich zeigt, steht neben der Frage der Machbarkeit in der eigenen Familie die Frage nach der gesellschaftlichen Integration (vgl. Inklusion), danach, wie das gewohnte Leben im gewohnten Umfeld weitergelebt werden kann. Das gilt auch dann, wenn die Entscheidung gegen das Kind fällt und das mit einem Tabu besetzt ist.

Nicht nur für die werdenden oder frischen Eltern, auch für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens kann hier schnell ein ethisches Dilemma entstehen. Oder der Wunsch nach mehr Wissen, um auf der Fachebene auf die Fragen der Familien eingehen zu können und sie in ihrem Erleben zu verstehen und zu begleiten. Und wenn Familien mit Kindern mit verschiedensten Einschränkungen und damit einhergehendem Pflegebedarf leben, dann brauchen sie Unterstützung von Pflegenden. Dieser Vielfalt an Herausforderungen wollen wir mit der Zusammenstellung der Artikel im aktuellen Schwerpunkt gerecht werden und laden Sie ein auf eine vielschichtige Reise durch Erfahrungen und Informationen.