Zusammenfassung
Hintergrund: Die Neuromyotonie, Isaac-Zschoke-Mertens-Syndrom oder CMFA (Continuous muscle fibre activity) ist eine seltene, immunvermittelte Erkrankung. In bis zu 60 % der Patienten finden sich Autoantikörper gegen den neuronalen Kalium-Kanal-Komplex. Klinisch ist die Erkrankung durch muskuläre Symptome wie Faszikulationen, Myokymien, Muskelkrämpfe und Muskelsteifigkeit gekennzeichnet. Extramuskuläre, autonome Begleitsymptome wie eine erhöhte Schweißneigung und innere Unruhe sind ebenso häufig anzutreffen wie eine Beteiligung des zentralen Nervensystems, wobei fließende Übergänge von leichten Konzentrationsstörungen und Fatigue bis hin zu schweren Enzephalitiden beim Morvan-Syndrom vorkommen können. Diagnostisch stehen sowohl die Elektromyografie mit charakteristischen spontanen Entladungen im Sinne von Di-, Tri- oder Multiplets als auch der laborchemische Nachweis von Autoantikörpern, die gegen den neuronalen Kalium-Kanal-Komplex gerichtet sind, im Vordergrund.
Methoden: Patienten mit gesicherter Neuromyotonie wurden über einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren regelmäßig hinsichtlich klinischer Präsentation, Ansprechen auf Therapie und Outcome evaluiert. Die apparativen Untersuchungen umfassten Videoaufzeichnungen der klinischen Symptome, Elektroneuro- und -myografie, Myosonografie jeweils mit Videoaufzeichnungen sowie immunologische Bestimmungen im Patientenserum. Ebenso erfolgten Liquordiagnostik und Neoplasiesuche. Patienten, bei denen sich Hinweise für eine zugrunde liegende Affektion des zweiten Motoneurons, des peripheren Nerven oder einer Myopathie auch im Langzeitverlauf ergaben, wurden von der Untersuchung ausgeschlossen.
Ergebnisse: Bei 3 der insgesamt 5 Patienten konnte die Diagnose einer Neuromyotonie anhand typischer elektromyografischer Veränderungen und erhöhter Titer gegen den Kalium-Kanal-Komplex gesichert werden. Bei zwei Patienten lagen typische klinische und elektromyografische Veränderungen vor, allerdings ohne Antikörpernachweis. Bei vier Patienten konnte eine klinische Besserung der Faszikulationen und Muskelkrämpfe durch Natrium-Kanal-Blocker erreicht werden, bei einem Patienten konnte mithilfe von i. v. Immunglobulinen eine Beschwerdefreiheit erreicht werden. Bei einem Patienten konnte weder unter Natrium-Kanal-Blocker noch i. v. Immunglobulinen und Glukokortikoiden eine Besserung erreicht werden.
Beurteilung: Die Neuromyotonie bleibt eine seltene Erkrankung und bedarf aufgrund der Variabilität der Klinik und des Therapieansprechens eines individualisierten Therapieansatzes.
Abstract
Background: Neuromyotonia (NM), Isaacs-Zschoke-Mertens syndrome or continuous muscle fiber activity (CMFA), is a rare condition associated with VGKC-antibodies. Clinically, fasciculations, myokymias, muscle stiffness and a myotonic appearance of movements after contraction are typical findings. In addition, CNS-symptoms vary from moderate fatigue, poor concentration and autonomic symptoms to severe encephalopathy in Morvan’s syndrome. In electromyography, spontaneous irregular discharges can be found frequently with typical di-, tri- or multiplet single motor unit discharges. In up to 60 %, serum antibodies against VGKC-complexes can be detected.
Methods: Patients with neuromyotonia were evaluated for clinical symptoms, response to treatment and outcome over a five-year period of follow-up. For evaluation, we used video recording of clinical symptoms, electroneurography, electromyography and myosonography as well as immunological tests (VGKC-complex antibody including CASPR2 and IGL1). Furthermore, cerebral fluid and screening for neoplasias were done. Patients with evidence for neuropathy, myopathy or motor neuron disease, even if diagnosed in the follow-up, were excluded.
Results: In 3 of 5 patients, neuromyotonia was diagnosed by electromyography and positive VGKC antibodies. In two patients, diagnosis was based on typical clinical symptoms and electromyographical changes. Anticonvulsants (carbamazepine) for symptomatic treatment were moderately effective in four patients; treatment with i. v. immunoglobulins was highly successful in one patient with high positive VGKC-complex antibody titers. In one patient with low-titer VGKC antibodies, neither anticonvulsants nor i. v. immunoglobulins nor prednisone was a successful treatment.
Conclusions: Neuromyotonia is a rare, treatable condition. However, due to the high variability of symptoms, response to therapy and outcome, neuromyotonia treatment needs to be highly individualized.
Schlüsselwörter
Neuromyotonie - periphere Nervenhyperexzitabilität - Kalium-Kanal-Komplex-Antikörper - VGKC
Key words
neuromyotonia - peripheral nerve hyperexcitability - voltage-gated potassium channel-antibodies - VGKC