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DOI: 10.1055/s-0035-1552892
Für Sie gelesen: Eine Handvoll Liebe
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
22. Mai 2015 (online)
Marcel Landsfried hat einen Erfahrungsbericht geschrieben über die Schwangerschaft und viel zu frühe Geburt seiner kleinen Tochter Lotta in der 26. Schwangerschaftswoche. Seine Frau und er sind zunächst überglücklich, als die Schwangerschaft festgestellt wird. Nachdem die ersten drei Monate vorbei sind, glauben beide, dass nun die gefährlichste Zeit für das wachsende Baby vorbei ist, und informieren voller Vorfreude die Familie sowie die Freunde. Da kommt in der 20. Schwangerschaftswoche die Diagnose einer Plazentainsuffizienz mit der drohenden Konsequenz einer extremen Frühgeburt am Rande der Überlebensfähigkeit. Die werdenden Eltern sind unvermittelt herausgerissen aus ihrer Vorfreude und konfrontiert mit schwerwiegenden Fragen. In der 24. Schwangerschaftswoche ist die Plazentainsuffizienz lebensbedrohlich für das Baby und die Eltern müssen entscheiden, wie es weitergehen soll. Nach erfolgter Lungenreifung wird Lotta zu Beginn der 26. Schwangerschaftswoche mit nur 360 g Geburtsgewicht per Kaiserschnitt geboren – ein völlig anderer Start ins Leben, als die Eltern ihn für ihr Kind erhofft haben.
Marcel Landsfried erzählt detailliert und aufrichtig von den kurzen vier Lebenstagen seiner Tochter und ihrem Sterben, das seine Frau und er nicht begleiten konnten, denn nach dem Anruf der Klinik trafen sie doch erst zehn Minuten nach dem Tod ihrer Tochter auf der neonatologischen Intensivstation ein. Sein Bericht ist wertvoll für alle, die beruflich in diesem Bereich arbeiten (Geburtshelfer, Hebammen, Neonatologen, Pflegepersonal auf neonatologischen Intensivstationen), denn es bildet ab, wie es einem Vater ergeht, der als Mann die meiste Zeit Zuschauer ist und von dem erwartet wird, dass er möglichst stets ruhig, konzentriert und unterstützend für seine Frau und sein Kind da ist. Aber die ganze Zeit ringen in seinem Inneren Gefühl und Verstand miteinander, wie er sich verhalten, was er tun soll, um aus der gegebenen Situation das Beste zu machen. Sehr schwer fällt ihm das Abwarten und Abwägen. Beim Lesen erstaunt immer wieder, wie genau er sich an Details erinnert, an einzelne Mitteilungen. Die Lektüre mahnt uns Professionelle im Gesundheitswesen, genau zu reflektieren, wie wir uns verhalten und wie wir kommunizieren im Kontakt mit Eltern in solch einer Extremsituation und uns stets aufs Neue zu vergewissern, ob wir sie ihren Wünschen entsprechend einbeziehen.
Dass einem sehr kleinen, sehr unreifen Frühgeborenen medizinisch und pflegerisch nicht immer zu helfen ist, das ist eine traurige Gewissheit. Wie es aber den Eltern gelingt, mit diesem Schicksalsschlag weiterzuleben, dazu tragen wir ein entscheidendes Stück bei: indem wir dafür Sorge tragen, dass die Umstände der Geburt und des kurzen Lebens und Sterbens eines solchen Babys die Eltern nicht zusätzlich traumatisieren. Erlebnisberichte über die zu frühe Geburt eines Kindes sind meist aus der Perspektive der Mutter erzählt. In diesem Fall war es der Vater, der es für seine Art des Umgangs mit dem Erlebten als wichtig erachtete, alles aufzuschreiben, um Gedanken und Gefühle zu klären und nichts zu vergessen. Sehr empfehlenswert!