Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10 - P139
DOI: 10.1055/s-0035-1549645

Prädiktoren der Hypoglykämieangst bei Typ 2 Diabetes mellitus: Evidenz für einen bedeutsamen Einfluss von Angstsensitivität und früheren Hypoglykämieerfahrungen?

AL Klostermann 1, A Benecke 1, U Löw 1, M Witthöft 1, T Kubiak 2
  • 1Universität Mainz, Klinische Psychologie, Psychotherapie und Experimentelle Psychopathologie, Mainz, Germany
  • 2Universität Mainz, Gesundheitspsychologie, Mainz, Germany

Fragestellung: Hypoglykämieängste zählen zu den wichtigen psychosozialen Belastungsfaktoren bei Menschen mit Typ 2 Diabetes (T2DM). Die Bedingungen der Entstehung und Aufrechterhaltung von Hypoglykämieangst sind jedoch nach wie vor nicht völlig geklärt. Die vorliegende Studie befasst sich daher mit der Frage, ob eine erhöhte Ängstlichkeit sowie Angstsensitivität in Kombination mit früheren Hypoglykämieerfahrungen mit erhöhter Hypoglykämieangst bei T2DM einhergeht.

Methodik: In einem querschnittlichen Fragebogensurvey wurden Hypoglykämieangst (Hypoglycemia Fear Survey, HFS) sowie Ängstlichkeit (STAI Trait) und Angstsensitivität (Angstsensitivitätsindex, ASI-3) bei 133 ambulant behandelten Menschen mit T2DM (Alter 58,53 ± 10,6 Jahre; 43,6% weiblich; Diabetesdauer 10,6 ± 8,15 Jahre; A1C 59,33 ± 1,47SD mmol/mol) erhoben. Die Datenauswertung erfolgte anhand linearer hierarchischer Regressionsanalysen.

Ergebnisse: Hypothesenkonform zeigte sich ein signifikanter synergistischer Effekt einer erhöhten Angstsensitivität und Vorerfahrungen mit leichten Hypoglykämien auf erhöhte Hypoglykämieangst (HFS; β= 0,186; p = 0,008). Ein analoger synergistischer Effekt zeigte sich auch für Ängstlichkeit (STAI-Trait; β= 0,146; p = 0,046). Neben diesen synergistischen Effekten zeigten sich auch starke Haupteffekte im Sinne von signifikanten Zusammenhänge zwischen Hypoglykämieangst und Ängstlichkeit (β= 0,540; p < 0,001) und sowie Hypoglykämieangst und Angstsensitivität (β= 0,596; p < 0,001). Entgegen den ursprünglichen Erwartungen waren die synergetischen Effekte zwischen erhöhter Ängstlichkeit und früheren Hypoglykämieerfahrungen jedoch auf leichte frühere Hypoglykämieepisoden beschränkt, während sich dieser Zusammenhang nicht für schwere frühere Hypoglykämieepisoden zeigte.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse stehen im Einklang mit einem verhaltensmedizinischen Vulnerabilitäts-Stress-Modell der Entwicklung von Hypoglykämieangst, wonach neben dispositionellen Faktoren (erhöhte Ängstlichkeit und Angstsensitivität) auch situative auslösende Bedingungen (d.h. Vorerfahrungen mit Hypoglykämien) entscheidend sind für die Entwicklung und Chronifizierung von Hypoglykämieangst bei Menschen mit T2DM. Längsschnittliche Studien sind notwendig, um dieses Modell einer strengen Prüfung zu unterziehen.