Rehabilitation (Stuttg) 2015; 54(03): 178-183
DOI: 10.1055/s-0035-1548788
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Informationstexte für Rehabilitanden sind schwer verständlich

Informative Texts for Rehabilitation Patients are Difficult to Understand
J. Höder
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Lübeck
,
R. Deck
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Lübeck
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Juni 2015 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Prüfung, ob schriftliche Informationen, die sich an Rehabilitanden wenden, verständlich genug sind.

Methode: Wir untersuchten 8 Informationstexte von Leistungsträgern, Patientenorganisationen und Gesundheitsportalen, 145 Texte von 50 Einrichtungen der muskuloskelettalen Rehabilitation sowie eine selbstverfasste Broschüre in einfacher Sprache mit Lesbarkeitsindizes und dem Hamburger Verständlichkeitskonzept. Alle Texte handelten von Inhalten und Zielen der medizinischen Rehabilitation.

Ergebnisse: Die meisten Informationen verstehen nur Personen mit höherer Schulbildung. Nur die von uns selbstverfasste Broschüre ist auch für Hauptschulabsolventen verständlich.

Schlussfolgerungen: Die Texte helfen Patienten nur wenig, wenn es darum geht, sich für die Teilnahme an einer Reha zu entscheiden oder sich auf eine Reha vorzubereiten. Die herausgebenden Stellen sind mit der Aufgabe, Informationstexte verständlich zu formulieren, oft überfordert und sollten erwägen, professionelle Hilfe zu suchen oder Mitarbeiter fortbilden zu lassen.

Abstract

Objective: To check the intelligibility of informational texts written for rehabilitation patients.

Method: Most investigated texts came from rehabilitation providers, patient organizations and health portals (8 texts), and from 50 rehabilitation facilities for musculoskeletal conditions (145 texts). We added a self-written booklet in plain language. All texts dealt with the goals and substance of rehabilitation. Readability formulas were computed for each text, and the Hamburg approach to intelligibility was applied.

Results: Only highly educated people will find the documents easily to understand, except for our self-written booklet, which is also comprehensible to lower secondary school leavers.

Conclusion: The informational texts are of little help for people who are undecided whether or not to participate in rehabilitative measures and for rehab patients in preparatory stages. Issuing organizations are overburdened with the task of wording in a comprehensible manner, and should consider seeking assistance by professional writers or providing training for their staff.

 
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