Gesundheitswesen 2015; 16 - P09
DOI: 10.1055/s-0035-1546910

Der ÖGD als Standortfaktor

G Schmolz 1
  • 1Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Präsident, Stuttgart

Ortspezifische Faktoren sind seit Menschengedenken (mit)entscheidend bei der Wahl eines Wohnortes, Arbeitsplatzes oder Sitz eines Unternehmens. Bereits der biblische Lot, Neffe Abrams, entschied sich – vor die Wahl gestellt – nach Augenschein für die fruchtbare Jordansenke. Über ein erstes Beispiel einer Standortsanierung berichtet Enmerkar, König von Uruk, im 4. JT. v.Chr., der 50 Jahre lang benötigte, um den Sumpf um Uruk trocken zu legen. Erst danach konnte aus Mesopotamien das Paradies werden. Möglichst ortsnahe Ertragsvorteile sind bis heute ein wichtiges Element jeder Standortanalyse. Die Wirtschaftsgeografie nennt als harte, d.h. betriebsbezogene Standortfaktoren u.a. das Lohn- und Steuerniveau, Absatzmarktnähe und Energiekosten. Infrastruktur, Bildungssystem, Umweltbedingungen und eine gute Verwaltung, sind ohne unmittelbare Auswirkung auf Kostenrechnung und Ertragslage, und deshalb weiche Standortfaktoren. Hier fehlt bis in jüngste Zeit der Faktor ‚Gesundheit‘, sowohl in Bezug auf eine gesundheitsförderliche Umwelt, Versorgung im Krankheits- und Pflegefall, als auch soziale Kohärenz. Dies änderte sich mit dem GMK-Beschluss von 1998, wonach die ‚positive Rolle der Gesundheit als Wirtschafts- und Standortfaktor‘ auf die Agenda zu nehmen sei. Die Umsetzung in den Folgejahren erfolgte u.a. mit dem ‚Gesunde Städte-Netzwerk‘ und der ‚Agenda 21‘. Die Wirtschaft erkennt jetzt ebenfalls die Bedeutung von Gesundheit: In einer ifo-Umfrage von 7/2014 geben deutsche Unternehmer diesem Standortfaktor in der BRD die beste Note, deutlich vor Infrastruktur und dem Steuersystem. Bewertungsinstrumente für den Standortfaktor Gesundheit können z.B. Daten der OECD, der Atlas Medicus Regio (Rebmann Research), sowie der EuroHealth Consumer Index sein. Bei der Qualifizierung der dort genannten Faktoren hat der ÖGD die Chance, hoheitlich und nicht-hoheitlich einzugreifen. Beispiele sind die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum, aktuell die Umsetzung der Leitlinien für das Schutzgut ‚Menschliche Gesundheit‘ i.R. einer UVP/GVP, die Bildung von MRSA-Netzwerken oder die Aufstellung von kommunalen Fachplänen für Gesundheit. Stratifiziert nach Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität kann der Beitrag des ÖGD dargestellt werden.. Die Analyse ergibt, dass der ÖGD bei der Gestaltung gesunder Lebenswelten in der Kommune noch Akzente setzen sollte. Im Ergebnis könnte deutlich werden, dass der ÖGD nicht nur ein Kostenfaktor ist, sondern einen positiven ‚return on invest‘ generiert.