Gesundheitswesen 2015; 16 - V40
DOI: 10.1055/s-0035-1546880

Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel – Spurenstoffe im Roh- und Trinkwasser

T Licha 1
  • 1Universität Göttingen, Geowissenschaftliches Zentrum, Göttingen

Medikamentöse Therapie und chemischer Pflanzenschutz sind zentrale zivilisatorische Errungenschaften. Eingenommene Arzneimittel werden nur in Ausnahmefällen vom menschlichen Körper vollständig abgebaut, und die Wirkstoffe werden verändert oder unverändert über Urin und Faeces ausgeschieden. Da eine Vielzahl dieser organischen Verbindungen mithilfe der konventionellen Abwasserbehandlung nicht oder zumeist nur unvollständig eliminiert werden kann, können Pharmaka bzw. deren Transformationsprodukte praktisch überall in der aquatischen Umwelt nachgewiesen werden. Undichte Abwassersysteme und Regenüberlaufbecken stellen ebenfalls signifikante Eintragspfade dieser Stoffe dar. Im Gegensatz zu Arzneimittelwirkstoffen werden Pflanzenschutzmittel gezielt in die Umwelt eingebracht. Daher ist es leicht verständlich, dass diese Stoffe, in Abhängigkeit ihrer Mobilität und Persistenz, ebenfalls kritisch hinsichtlich ihrer Relevanz im Wasserkreislauf bewertet werden müssen. Arzneimittelwirkstoffe und Pflanzenschutzmittel sind biologisch hochwirksame Substanzen, deren unerwünschte Wirkungen auf Nicht-Zielorganismen in der Umwelt in vielen Studien belegt wurden. Je nach verwendeter Aufbereitungstechnik können einige Stoffe auch in das aufbereitete Trinkwasser übergehen, wobei indes der hierzulande im Trinkwasser üblicherweise nachgewiesene Konzentrationsbereich (ng/L) als vernachlässigbares Risiko für die menschliche Gesundheit eingestuft wird. Die Fülle potentiell auftretender Wirkstoffe und Transformationsprodukte ist jedoch kaum erfassbar und eine abschließende Risikobewertung ist vor allem unter Berücksichtigung potentieller synergistischer Effekte gemeinsam auftretender Stoffe (Mischungstoxizität) nach derzeitigem Wissensstand nicht möglich. Daher gilt das Vorsorgeprinzip und geeignete Vermeidungs- bzw. Verminderungsstrategien stehen im Focus der angewandten Wissenschaft. Technische Lösungen zur Entfernung unerwünschter Stoffe bei der Trinkwasseraufbereitung müssen nicht nur effektiv, sondern auch kostengünstig sein. Eine zeitgemäße Landnutzungsplanung sowie die Ertüchtigung von Abwassersystemen und Regenüberlaufbecken stellen allerdings die eindeutig nachhaltigeren Verminderungsstrategien der Spurenstoffkonzentration im Trinkwasser dar, da sie bereits den Eintrag anthropogener Stoffe in das Rohwasser effektiv minimieren können.