Gesundheitswesen 2015; 16 - V29
DOI: 10.1055/s-0035-1546869

Hat die Energiewende Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung?

D Plaß 1
  • 1Umweltbundesamt, Fachgebiet Expositionsschätzung, gesundheitsbezogene Indikatoren, Berlin

Die Bundesregierung forciert die Energiewende für eine langfristig nachhaltige Entwicklung und Sicherstellung der Energieversorgung. Die Einführung neuer Technologien zur Energiegewinnung und Energieeinsparung wird dabei z.B. mit dem EEG für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Strommarkt oder zinsverbilligten Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau für die Wärmebereitstellung aus erneuerbarer Energie oder die Sanierung von Gebäuden gefördert. Obwohl die neu eingeführten Technologien die wesentlichen gesundheitlichen Risiken des bestehenden Energieversorgungsystems nicht aufweisen, müssen bei der umfassenden und z.T. flächendeckenden Einführung neuer Technologien auch mögliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit des Menschen kritisch betrachtet werden, damit eventuelle Umwelt- oder Gesundheitsschäden frühzeitig identifiziert und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Es ist somit notwendig, bei den Überlegungen zur Energiewende nicht nur die positiven, sondern auch potenziell negativen Folgen für die menschliche Gesundheit zu untersuchen. Hierbei gilt es, nicht nur die Energiegewinnungsmethoden, sondern auch die Maßnahmen, die zur Energieeinsparung eingesetzt werden, kritisch im Hinblick auf die Gefährdung des Schutzguts Gesundheit zu analysieren und auch Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Alternativen anzustellen. Zunächst einmal ist unbestreitbar, dass der Rückbau der klassischen Energiegewinnung aus der Verbrennung von Braun- und Steinkohle einen Beitrag zur Reduktion der Freisetzung von klimagefährdenden Stoffen leisten kann. Dies trägt bei weltweitem Rückbau zu einer Mitigation des Klimawandels und der damit assoziierten klimasensitiven Erkrankungen (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen) bei. Zusätzlich würde – vor allem regional – durch den Abbau der Kohleverstromung die Emission von Luftschadstoffen (z.B. NOx, Feinstaub) verringert werden, die in einem direkten Zusammenhang mit negativen Gesundheitseffekten (z.B. Lungenkrebs) stehen, was mit einer erheblichen Reduktion der Krankheitslast einhergehen würde. Im Gegenzug werden zum Beispiel bei Windanlagen negative Effekte der Geräuschbelastung/-belästigung, wie z.B. Schlafstörungen, diskutiert. Die derzeitige Studienlage zeigt bei rechtskonform errichteten Anlagen zwar keine schädliche Wirkung, die weitere Entwicklung ist jedoch zu beobachten. Die zur Energieeinsparung eingesetzte Wärmedämmung von Gebäuden kann den derzeitigen Energieverbrauch deutlich reduzieren und somit die Luftschadstoffemission von Heizkesseln deutlich verringern. Dementgegen stehen jedoch die Probleme, die sich bei der dafür erforderlichen Abdichtung der Gebäudehülle durch den Einbau neuer Fenster ergeben können. Durch ein geeignetes Lüftungskonzept muss sowohl die Qualität der Innenraumluft gesichert als auch Schimmelbildung verhindert werden, um negative Wirkungen auf die Gesundheit zu vermeiden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass mit den bekannten Technologien der Energiewende nach heutigem Kenntnisstand schwerwiegende Folgen für die Gesundheit der Menschen ausgeschlossen werden können. Angesichts zum Teil neuer und flächendeckend eingesetzter Technologien und Maßnahmen ist aber nicht ausgeschlossen, dass kurz- oder langfristige Effekte auf die Gesundheit auftreten können. Es besteht hier auch Bedarf an umweltepidemiologischen Kohortenstudien, um Hypothesen zur gesundheitlichen Wirkung dieser Technologien bestätigen oder entkräften zu können. Ziel sollte es daher sein, sich systematisch mit möglichen Gefährdungen des Schutzguts Gesundheit, z.B. im Rahmen von Gesundheitsfolgenabschätzungen oder direkter gesundheitsbezogener Begleitforschung, auseinanderzusetzen. Des Weiteren sollte die Information der Bürgerinnen und Bürger über die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen der Energiewende im Rahmen der Risikokommunikation frühzeitig und umfassend erfolgen, um auf Risiken hinzuweisen, aber auch unbegründeten Ängsten und somit einem möglichen „nocebo-Effekt“ entgegenzuwirken. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Energiewende ein notwendiger Schritt hin zu einer nachhaltigen Gestaltung der Energieversorgung in Deutschland ist, jedoch sollten neue Technologien kritisch auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen geprüft werden. Hier sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass bereits bei der Einführung entsprechender energiepolitischer Maßnahmen sowohl die Errichtung der Anlagen, der Regelbetrieb, eventuelle Störfälle, aber auch die Entsorgung systematisch hinsichtlich möglicher Gesundheitseffekte betrachtet werden.