Gesundheitswesen 2015; 16 - V27
DOI: 10.1055/s-0035-1546867

Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation: Ein Überblick

M Giraki 1, W Raab 1
  • 1Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Endodontologie, Düsseldorf

Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) wird beschrieben als ein systemisch bedingter qualitativer Schmelzdefekt, der mindestens einen ersten bleibenden Molaren und optional die bleibenden Inzisiven betrifft. Prävalenzdaten schwanken deutschlandweit etwa zwischen 5% und 15%, international werden Werte von bis zu ca. 40% angegeben. Ätiopathogenetisch ist derzeit keine eindeutige Ursache bekannt, allerdings werden prä-, peri- und postnatale Einflüsse, zu denen insbesondere Infektionserkrankungen, Medikamenteneinnahmen sowie umwelttoxische Einflüsse zählen, als mögliche Ursache für die während der Zahnentwicklung entstandenen Schmelzdefekte diskutiert. Klinisch imponieren diese als gelbliche bis bräunliche scharf begrenzte Farbveränderungen der Zähne, die bei der schweren MIH-Form im Molarenbereich teils stark ausgeprägte posteruptive Schmelzfrakturen schon während des Zahndurchbruchs zeigen und häufig mit einer Temperatur- und Berührungsempfindlichkeit der Zähne einhergehen. Schlechte Mundhygiene durch Schmerzen beim Zähneputzen erhöht in der Folge das Kariesrisiko. Ein Teufelskreis entsteht, der für die zahnärztliche Behandlung nicht ohne Folgen bleibt: MIH-Zähne reagieren wegen ihrer chronischen Reizung oft hypersensibel und sind zum Teil schwer anästhesierbar, was das Risiko des Kooperationsverlustes der jungen Kinder erhöht und neben den eingeschränkten Schmelz-Haftwerten von adhäsiv zu befestigenden Restaurationsmaterialien einen möglichen Grund für die erhöhte Anzahl an Folgebehandlungen darstellt. Therapeutisch kommen neben der Individualprophylaxe defektabhängig Maßnahmen wie die Fissurenversiegelung, die Kompositfüllung, eine (Teil-)Überkronung oder auch Extraktion der betroffenen Zähne zum Einsatz. Eine frühzeitige Erstdiagnostik ist hier entscheidend, da bei entsprechender Versorgung weiterer Substanzverlust vermieden oder zumindest minimiert werden kann. Damit kommt den zahnärztlichen Reihenuntersuchungen in den Grundschulen eine besondere Bedeutung zu. Der Vortrag soll neben der Verdeutlichung der zunehmenden epidemiologischen Bedeutung des Krankheitsbildes MIH seine Ätiologie hinterfragen, diagnostische Kriterien zur Erkennung einer MIH herausstellen und Therapieoptionen aufzeigen.