Gesundheitswesen 2015; 16 - V6
DOI: 10.1055/s-0035-1546846

Ausbruch von KPC-2 produzierenden Enterobacteriaceae im Kreis Groß-Gerau – Ausbruchsmanagement und Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes

A Carstens 1, U Kepper 1
  • 1Fachbereich Gesundheit und Verbraucherschutz, Der Kreisausschuss des Kreises Groß-Gerau, Groß-Gerau

Chronologie der Ereignisse: Seit Oktober 2013 traten in einem Krankenhaus im Kreis Groß-Gerau sporadisch Infektionen mit Carbapenemase produzierenden Bakterien der Klasse der Enterobacteriaceae auf. Trotz Nachforschung konnte zunächst kein Zusammenhang zwischen den Fällen festgestellt werden, zumal es sich um verschiedene Bakterienspezies handelte. Erst als zwei Infektionen mit Citrobacter freundii auftauchten, wurde die Suche intensiviert und gemäß KRINKO-Empfehlungen von 2012 ein Screening auf den betroffenen Stationen durchgeführt. Darüber hinaus wurde ein Ausbruchsteam gebildet, das aus der Klinikleitung, der Klinikhygiene, der beratenden Krankenhaushygienikerin, dem HLPUG sowie dem örtlichen Gesundheitsamt bestand. Das Ausbruchsteam orientierte sich u.a. an den KRINKO-Empfehlungen von 2002 zum Management von nosokomialen Ausbrüchen. Die Kliniken des Rhein-Main-Gebietes und Südhessen wurden von der Klinik selbst über das Ausbruchsgeschehen informiert, weiterhin die Gesundheitsämter in Hessen und in Rheinland-Pfalz. Außerdem wurde eine Pressemitteilung herausgegeben und die Patienten des Krankenhauses mündlich und schriftlich über das Geschehen informiert. Die besiedelten Patienten wurden isoliert und es galten strenge Hygienemaßnahmen für das Personal und die Patienten. Ab 23.6. wurden alle kolonisierten Patienten auf der Infektionsstation zusammengelegt, um weitere Mensch-zu-Mensch-Übertragungen auf den Stationen auszuschließen und um die Patienten durch extra geschultes Personal optimal betreuen zu können. Das Screening wurde im Verlauf des Ausbruchs immer weiter intensiviert; ab 10.6. wurde zusätzlich zu den Screeningmaßnahmen auf den Stationen ein Aufnahmescreening durchgeführt bei allen Patienten, die länger als 3 Tage innerhalb der letzten 12 Monate stationär in einer Klinik waren. Dieses Screening wird bis heute aufrechterhalten. Das Gesundheitsamt führte in Kooperation mit der Klinikhygiene Begehungen auf verschiedenen Stationen und den Funktionsbereichen und der Küche durch, um neuralgische Punkte zu identifizieren. Hierbei wurden Prozesse, vor allem im Reinigungsbereich, optimiert, um mögliche Übertragungswege auszuschalten. Trotz dieser strengen Isolations- und verschärfter Hygienemaßnahmen im gesamten Klinikum traten am 8.7. wieder 17 Neu-Kolonisationen verteilt über alle Stationen auf. Epidemiologische Untersuchungen erhärteten den Verdacht, dass es sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr um eine Person-zu-Person-Übertragung handeln konnte, vielmehr deutete die epidemische Kurve auf eine Punktquelle hin.

Abb. 1: Epidemische Kurve nach Spezies mit Folge-Isolaten.Limbach Gruppe (Quelle: Prof. Wendt, Labor Limbach)

Zu diesem Zeitpunkt war die Küche nach mehreren Begehungen und durch Probennahmen bereits in den Focus der Überwachungsbehörden geraten. Zunächst konnten in einer Ablaufrinne in der Salatküche KPC-2 tragende Enterobacteriaceae nachgewiesen worden. Bei einer Kontrolle des Veterinäramts richtete sich der Verdacht zunächst auf einen Zulieferbetrieb der Klinik, wo Salat geschnitten und an die Küche der Klinik zur Weiterbearbeitung geliefert wurde. Trotz mehrfacher Untersuchung des Salats und Probennahme im Zulieferbetrieb konnten hier keine Enterobacteriaceae nachgewiesen werden, wohl aber in anderen Speisen der kalten Küche. So fand sich das Ausbruchsplasmid im Mokkapudding (Citrobacter freundii KPC-2) ebenso wie im Nudelsalat(Klebsiella oxytoca KPC-2). Beide Speisen wurden im Bereich des Kochfeldes durch Auslasstüllen abgefüllt, die sich nur wenig über dem Boden und dem Ablaufgitter befanden (siehe Bilder im beigefügten Vortrag). In der Abflussrinne dieses Kochfeldes konnte ebenfalls das Ausbruchsplasmid nachgewiesen werden. Die Übertragungshypothese lautet nun, dass von der Abflussrinne im Kochfeld der Küche die dort in der Nähe produzierten Speisen durch Aufspritzen von kontaminiertem Wasser verunreinigt wurden. Zusätzlich wurden in der Küche täglich nach der Reinigung und Desinfektion der Oberflächen die Böden, auf denen ebenfalls das Ausbruchsplasmid in einer Wasserpfütze nachgewiesen werden konnte, abgespritzt. Die Übertragung hat somit höchstwahrscheinlich durch Aufspritzen der multiresistenten Keime von den Böden und der Abflussrinne auf die in der Küche produzierten Speisen stattgefunden. In einer Reinigungsspirale, die sowohl in der Küche als auch den Patientenzimmern bei verstopften Abflüssen eingesetzt wurde, konnte ebenfalls das Ausbruchsplasmid nachgewiesen werden. Möglicherweise wurden durch dieses Gerät die multiresistenten Keime aus dem Patientenbereich in die Küche eingetragen.

Nach Umstellung der Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen in der Küche und dem Stopp der kalten Küche sistierten die Neu-Kolonisationen in der Klinik schlagartig, da die Infektionsketten unterbrochen wurden. Insgesamt wurden 135 (?) Fälle in der Zeit vom 1.10.2013 bis zum 30.9.2014 (Ausbruchszeitraum) gezählt, lediglich 11 Fälle(?) hiervon fielen durch Infektionen auf. Da das Gen für KPC-2 auf einem sehr mobilen Plasmid liegt, kam es zu einer breiten Speziesverteilung. Bei 41 Patienten ließ sich mehr als eine Bakterien-Spezies nachweisen. Im Verlauf des Ausbruchs konnte vermehrt eine Plasmid-Übertragung weg von C. freundii hin zu E. coli beobachtet werden.

Ergebnisse: Eine Kombination von epidemiologischen Auswertungen mit Umgebungsuntersuchungen vor Ort führte letztendlich zur Eindämmung des Ausbruchs. Als Erregerreservoir konnte das Abwassersystem der Klinik und als Infektionsvehikel die Kaltspeisen der Küche identifiziert werden. Alle Prozesse und Abläufe in der Klinik sind in Zukunft so zu gestalten, dass vom Abwassersystem keine Gefahr für die Patienten ausgeht. Fazit: Eine frühzeitige Bildung eines Ausbruchsteams, das die weiteren Maßnahmen festlegt, ist notwendig, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bringen. Die Rolle des öffentlichen Gesundheitsdienstes besteht in der Beratung der Klinik, Koordinierung der Maßnahmen und Hinzuziehung von Experten (HLPUG,RKI, Universität Bonn, Lebensmittelüberwachungsbehörden, LHL). Eine gute Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen und Experten ist essenziell für den Erfolg des Ausbruchsmanagements. Die frühzeitige Erkennung dieses nosokomialen Ausbruchs ist der Einführung der Meldepflicht für Carbapenemresistente Erreger in Hessen und dem wachsamen Auge von Frau Hauri zu verdanken.