PPH 2015; 21(01): 2
DOI: 10.1055/s-0035-1544942
Pressemeldung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Herausgeber und Beirat der Zeitschrift Psych Pflege Heute treten von ihren Ämtern zurück

Michael Schulz
1   Lehrstuhl Psychiatrische Pflege, Fachhochschule der Diakonie, Grete-Reich-Weg 9, 33617 Bielefeld
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Publication History

Publication Date:
23 January 2015 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

werte Leserschaft der PPH

Am 10. Dezember 2014 haben wir als Herausgeber und Fachbeirat der Psych. Pflege Heute unsere Funktionen mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Wir haben die Zeitschrift über einige Jahre und mit großer Freude begleitet und die Entscheidung zur Kündigung ist uns nicht leicht gefallen. Es ist uns wichtig, uns bei den Leserinnen und Lesern für Ihre Treue zu danken und unseren Schritt zu begründen.

Im Psych. Pflege Heute-Heft 5/2014 erschien eine 2-seitige Werbung einer Pharmafirma, die nicht mit uns abgestimmt war. Der Beitrag ist wie ein Fachartikel aufgemacht und somit auch nicht einfach als Werbebeitrag zu erkennen. Im Heft 1/2015 waren vergleichbare Seiten zu einem Pharmaprodukt geplant. Wir haben dem Verlag gegenüber unsere großen Bedenken in dieser Frage deutlich zu machen und haben darüberhinaus versucht, eine feste Zusicherung des Thieme-Verlags auf Verzicht für Pharmawerbung für die PPH zu erwirken. Der Verlag sah sich in dieser Frage nicht in der Lage, hier konkrete Zusagen zu machen. Herausgeber und Beirat sind sich der wachsenden Bedeutung des Anzeigengeschäftes bei Fachzeitschriften bewusst und haben deshalb immer wieder angeboten, die Suche nach möglichen Industrieunternehmen jenseits von Medikamenten zu unterstützen. Wir halten Pharmawerbung in der Psychiatrie für ein hochsensibles Thema,

  • weil wir aus vielen Studien wissen, dass die Darstellung von Wirkung und Nebenwirkungen im Rahmen von Anzeigen in aller Regel nicht seriös ist,

  • weil Pharmafirmen nachgewiesener Maßen einen unguten Einfluss auf die Konzeptualisierung psychischer Krankheit haben (z. B. über das Internet aber natürlich auch über solche Engagements),

  • weil wir die Aussagen des Psychopharmaka-Memorandums der DGSP teilen (http://www.dgsp-ev.de/fileadmin/dgsp/pdfs/Flyer_Infoblatt_KuFo-Programme_Broschueren/Broschuere_Neuroleptika_2012_web.pdf): U. a. belegt die Verordnungspraxis, dass die Wirkung der Psychopharmaka überschätzt und die Nebenwirkungen unterschätzt werden,

  • und weil wir die Ansicht vertreten, dass in der Versorgung psychisch kranker Menschen die nichtpharmakologischen Interventionen deutlich mehr Stellenwert in Praxis und Forschung brauchen. Zudem halten wir die Werbung für Medikamente in Pflegezeitschriften für inakzeptabel, da Pflegende in Deutschland keine Medikamente verschreiben. Die Art der Werbung, die als Fachartikel getarnt in der Zeitschrift platziert wird, ist von Pflegenden, die sich nicht intensiv mit dem Themenkomplex Pharmawerbung beschäftigt haben, kaum als solche zu erkennen. Wir wissen von unseren Leserinnen und Lesern, dass sie von uns als Herausgeberteam ein in dieser Hinsicht unbedenkliches Produkt erwarten. Insgesamt ist unser Verständnis von psychiatrischer Arbeit aus den genannten Gründen nicht mit Pharmawerbung in der PPH kompatibel. Haben wir soeben noch das 20- jährige Jubiläum gefeiert, so müssen wir einen Monat später konstatieren, dass die schreibende psychiatrische Pflegezunft auf einem Tiefpunkt angekommen ist. Im Konzert der deutschsprachigen Pflegezeitschriften ist es nun ausgerechnet die Psychiatrische Pflege heute, die hier im negativem Sinne neue Maßstäbe setzt.

Der Abschied von der Psych. Pflege Heute fällt uns schwer. Unsere Aufgabe hat uns viel Freude bereitet, es sind spannende Diskussionen und Projekte entstanden, wir durften interessante Menschen kennenlernen und die Zusammenarbeit genießen. Viele konnten wir als Abonnenten oder Autoren neu gewinnen. Und sehr viele Leser und Autoren durften wir übernehmen und weiter begleiten. Hilde Schädle-Deininger und ihr Team hatten mit dem Aufbau der Zeitschrift Großes für die Identität und Rolle der Psychiatrischen Pflege geleistet. Die Psych. Pflege Heute hat viele von uns langjährig begleitet, sie hat die Pflege in den letzten 20 Jahren geprägt. Und sie hat die Ideen, die Potenziale und die Veränderungen der Pflege abgebildet. Wir denken, dass wir Impulse setzen konnten (u. a. durch die erfrischende Reihe „Brunos Welt“...). Die Aufgabe als Herausgeber und Fachbeirat hat uns Spaß gemacht und auch uns bereichert.

Damit eine Zeitschrift erscheinen kann, braucht es neben Herausgeberteam und Autoren eine gelingende Zusammenarbeit mit einem Verlag. Diese hatten wir bis zum Jubiläumsheft im Dezember 2014. Doch mit der Entscheidung des Thieme Verlages, derartige Werbeauftritte in der PPH zu ermöglichen, dies auch entgegen unseren eingebrachten Einwänden, sehen wir keine Möglichkeit die Zusammenarbeit weiterzuführen. Bedauerlich finden wir diese Entwicklung auch hinsichtlich des Imageschadens für die Psych. Pflege Heute, welche mit diesem Schritt ihre fachliche Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit verlieren wird bzw. für uns verloren hat.

Michael Schulz

Bruno Hemkendreis

Dorothea Sauter

Sabine Hahn

Michale Löhr

Gianfranco Zuaboni

Bielefeld, Münster, Bern, Zürich

im Dezember 2014