Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(05): 204
DOI: 10.1055/s-0034-1398004
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Neonatologie
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Prolongierte Hypoxämien – Nachteilige Auswirkungen auf das Outcome von sehr kleinen Frühgeborenen

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Publication Date:
10 November 2015 (online)

Hintergrund: Bei vielen der vor der 28. Schwangerschaftswoche (SSW) geborenen Kindern sind während des Aufenthalts auf der neonatologischen Intensivstation wiederholte Abfälle der Sauerstoffsättigung (sO2) und der Herzfrequenz (HF) nachweisbar. Die Arbeitsgruppe um Poets von der Universität Tübingen hat anhand einer Post-hoc-Analyse der Daten des „Canadian Oxygen Trial“ untersucht, inwiefern sich diese intermittierenden hypoxämischen und bradykarden Episoden auf das langfristige entwicklungsneurologische Outcome der Kinder auswirken.

Methoden: In die internationale Studie an 25 Zentren in Kanada, den USA, Argentinien, Finnland, Deutschland und Israel waren 1201 zwischen 2006 und 2010 geborene extrem unreife Frühgeborene (Gestationsalter 23 + 0 – 27 + 6 SSW) eingeschlossen und mindestens bis zur 36. SSW p. m. kontinuierlich mittels Pulsoxymetrie überwacht worden. Die entwicklungsneurologische Follow-up-Evaluation der Kinder war zwischen 2008 und 2012 erfolgt. 1019 der 1035 bis zur 36. SSW überlebenden Kinder wurden in die Analyse einbezogen. Anhand der pulsoxymetrischen Daten wurde analysiert, wie häufig und über welchen Zeitraum (Messintervall 10 sec.) die Frühgeborenen einer Hypoxämie (sO2 < 80 %) bzw. Bradykardie (HF < 80/min) ausgesetzt waren. Der kombinierte primäre Endpunkt umfasste das Versterben nach 36 SSW p. m. sowie eine motorische, kognitive oder sprachliche Entwicklungsverzögerung, eine schwergradige Einschränkung des Hörvermögens und eine beidseitige Erblindung im korrigierten Alter von 18 Monaten.

Ergebnisse: Es konnten pulsoxymetrische Daten von einem durchschnittlichen Zeitraum von 68,3 Tagen (IQR 56,8–86,0) ausgewertet werden. Die mediane Dauer der Hypoxämie- bzw. Bradykardie-Episoden betrug 3,3 (2,5–4,4) bzw. 1,9 (1,7–2,2) konsekutive Messintervalle. Die Prävalenz hypoxämischer bzw. bradykarder Episoden im Registrierzeitraum betrug 3,34 % (1,55–6,13) bzw. 0,12 % (0,085–0,17). Eine länger als eine Minute andauernde Hypoxämie wurde durchschnittlich 12,1 mal (4,8–23,8) pro Tag registriert, wogegen kürzere Episoden 73,5 mal (37,3–113,3) pro Tag auftraten. Der primäre Studienendpunkt trat bei 414 Kindern (42,6 %) auf. Im Zehntel der am wenigsten bzw. am stärksten betroffenen Kinder waren die Frühgeborenen durchschnittlich über 0,4 bzw. über 13,5 % des Registrierzeitraums einer Hypoxämie und über 0,1 bzw. 0,3 % der Zeit einer Bradykardie ausgesetzt. Die Rate der verstorbenen oder mit einer Behinderung überlebenden Kinder betrug im Zehntel der Frühgeborenen mit der geringsten bzw. im Zehntel mit der längsten Hypoxie-Exposition 36,9 bzw. 56,5 % (modeled RR 1,53; 95 %-CI 1,21–1,94). Eine signifikante Assoziation war jedoch nur für länger als eine Minute andauernde Hypoxämie-Episoden nachweisbar (kürzere Dauer: RR 1,01; 95 %-CI 0,77–1,32 vs. längere Dauer: RR 1,66; 95 %-CI 1,35–2,05).

Fazit

Extrem unreife Frühgeborene, die in den ersten Lebenswochen aufgrund von Apnoen bzw. in Folge der kardiopulmonalen Instabilität wiederholt prolongierten Hypoxämien ausgesetzt sind, haben ein hohes Mortalitätsrisiko sowie ein hohes Risiko für schwere Behinderungen im Alter von 18 Monaten. Für intermittierend auftretende Bradykardien ohne begleitende Hypoxämie konnte hingegen kein signifikanter Einfluss auf die Prognose nachgewiesen werden. Zukünftige prospektive Studien, so die Empfehlung der Autoren, sollten die Entwicklung präventiver pharmakologischer Strategien zum Ziel haben.

Dr. Judith Lorenz, Künzell